o
Gellert.
147
alles andre, dachte nur an meinen Gegenstand und schrieb, was mir dieser
eingab, so gut ich konnte. War ich fertig, so fragte ich ehrliche Leute, ob sie
das Werk für gut hielten, und was sie zu erinnern hätten. Sagten sie, es
wäre gut, ich sollte es hin und wieder verbessem und es alsdann drucken
lassen, so besserte ich und ließ drucken. Dieses, Herr Leutnant, ist die Geburt
meiner Schriften, die das Glück gehabt haben, Ihnen zu gefallen." — „Nun,
das will ich mir merken," versetzte er. „Ich habe oft Lust und Zeit zum
Schreiben, und sobald die verteufelten Russen aus dem Lande sind, will ich
einen Versuch nach Ihrer Weise machen. Jetzt aber biete ich Ihnen ein An¬
denken von meiner Beute an. Sie haben doch wohl keinen Rubel in Ihrer
Schatulle, Herr Professor; lesen Sie sich also einen aus! Diese hier sind von
einem Kosakenobersten, den ich bei Zorndorf vom Pferde hieb, und diese da
von der Frau eines mssischen Offiziers, die in der Flucht mit dem Pferde
stürzte." — Es lief mir bei diesem Geschenk eiskalt über den Leib. „Das sei
ferne, daß ich Ihnen einen Teil Ihrer Beute entziehen sollte. Nein, lieber
Herr Leutnant, behalten Sie Ihre Rubel, ich habe genug an der Gewogen¬
heit, aus der Sie mir dieselben anbieten." — „Aber Sie müssen ein An¬
denken von mir annehmen, Herr Professor. Gefallen Ihnen diese Pistolen?
Es sind sibirische. Und diese Peitsche, das ist eine Knute. Beides ist zu Ihren
Diensten. Ich habe noch treffliches Gewehr erbeutet, türkisches, tatarisches, es
steht bei Eulenburg, und was Sie verlangen, will ich Ihnen schicken, ein Wort,
ein Mann! Der Soldat hat nichts Kostbareres als Beute, mit seinem Blute
erfochten. Warum gefallen Ihnen diese Pistolen nicht? Es ist auserlesenes
Gewehr." — Hier nahm ich ihn bei der Hand und. führte ihn an meine
Bücherschränke. „Dieses ist mein Gewehr, Herr Leutnant, mit dem ich um¬
zugehen weiß. Wollen Sie sich ein Andenken von meiner gelehrten Beute aus-
lesen?" — „Ja, geben Sie mir Ihre Trostgründe wider ein sieches Leben,
wenn ich etwa von den Russen blessiert würde; denn, ach, die Russen, das ist
ein schreckliches Volk! Sie stehen wie die Berge so fest; und man arbeitet sich
müde und tot, ehe man sie zum Weichen bringt." Nunmehr wollte er mir
die letzte Schlacht erzählen, aber zu meinem Glücke schlug es; meine Zuhörer
kamen haufenweise, und ich sagte dem Husarenleutnant, daß ich ein Kollegium
hätte. Er bot mir noch einmal sein Gewehr an, umarmte mich herzlich, war
unzufrieden, daß ich nichts annehmen wollte, besah meinen Katheder, wünschte
mir viel Gutes und ging mit seinen Pistolen und seiner Knutpeitsche, die ihm
ein Husar, der die Treppe nebst etlichen andern Kameraden besetzt hielt, ab¬
nahm. „Peter!" rief der Leutnant, „das ist der Herr, der die schönen Fabeln
geschrieben hat." Peter sah mich starr an, griff ehrerbietig an die Mütze und
lächelte mir seinen wilden Beifall zu. Die andern Husaren bückten sich auch
sehr tief, und unter diesen Umständen begleitete ich den Leutnant die Treppe
hinunter. — „Kann ich Ihnen," war sein letztes Wort, „noch bei dem General
Malachowsky auf irgend eine Weise dienen?" — „Im geringsten nicht." —
„Oder bei dem General Dohna?" — „Ich danke untertänig." — „Oder auch
bei dem Könige?" — „Nein, Herr Leutnant, empfehlen Sie ihm den Frieden
in meinem Namen fußfällig" — und schnell entfloh ich den Husaren.
X
10*