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VI. Die zweite Blütezeit der deutschen Dichtung.
O
f) Künftiger Frühling.
Wohl blühet jedem Jahre
Sein Frühling mild und licht,
Auch jener große, klare,
Getrost! er fehlt dir nicht;
Er ist dir noch beschieden
Am Ziele deiner Bahn,
Du ahnest ihn hienieden,
Und droben bricht er an.
2. Der Ungenannten.
Auf eines Berges Gipfel,
Da möcht' ich mit dir stehn,
Auf Täler, Waldeswipfel
Mit dir herniedersehn;
Da möcht' ich rings dir zeigen
Die Welt im Frühlingsschein
Und sprechen: „Wär's mein eigen,
So wär' es mein und dein."
In meiner Seele Tiefen,
O, sähst du da hinab,
Wo alle Lieder schliefen,
Die je ein Gott mir gab!
Da würdest du erkennen,
Wenn Echtes ich erstrebt,
Und mag's auch dich nicht nennen,
Doch ist's von dir belebt.
3. Die sanften Tage.
Ich bin so hold den sanften Tagen,
Wann in der ersten Frühlingszeit
Der Himmel, bläulich aufgeschlagen,
Zur Erde Glanz und Wärme streut,
Die Täler noch von Eise grauen,
Der Hügel schon sich sonnig hebt,
Die Mädchen sich ins Freie trauen,
Der Kinder Spiel sich neu belebt.
Dann steh' ich auf dem Berge droben
Und seh' es alles, still erfreut,
Die Brust von leisem Drang gehoben,
Der noch zum Wunsche nicht gedeiht.
Ich bin ein Kind und mit dem Spiele
Der heiteren Natur vergnügt,
In ihre ruhigen Gefühle
Ist ganz die Seele eingewiegt.
Ich bin so hold den sanften Tagen,
Wann ihrer mild besonnten Flur
Gerührte Greise Abschied sagen;
Dann ist die Feier der Natur.
Sie prangt nicht mehr mit Blüt' und
All ihre regen Kräfte ruhn, sFülle,
Sie sammelt sich in süße Stille,
In ihre Tiefen schaut sie nun.
Die Seele, jüngst so hoch getragen,
Sie senkte ihren stolzen Flug,
Sie lernt ein friedliches Entsagen,
Erinnerung ist ihr genug.
Da ist mir wohl im sanften Schweigen,
Das die Natur der Seele gab;
Es ist mir so, als dürft' ich steigen
Hinunter in mein stilles Grab.
4. Nachtreise.
Ich reit' ins finstre Land hinein,
Nicht Mond noch Sterne geben Schein,
Die kalten Winde tosen.
Oft hab' ich diesen Weg gemacht,
Wann goldner Sonnenschein gelacht,
Bei lauer Lüfte Kosen.
Ich reit' am finstern Garten hin,
Die dürren Bäume sausen drin,
Die welken Blätter fallen.
Hier Pflegt' ich in der Rosenzeit,
Wann alles sich der Liebe weiht,
Mit meinem Lieb zu wallen.