Full text: [Theil 5 = Obertertia, [Schülerband]] (Theil 5 = Obertertia, [Schülerband])

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Aus dem Hellen Grün der Obstbäume, im Mai fast verdeckt vom 
weihen Blütenschnee, schimmern die roten Ziegeldächer der Dorf¬ 
häuser, die sich gesellig um die turmgekrönte Kirche schmiegen. Da 
und dort grüßt ein stilles, träumendes Landstädtchen, das wie ver¬ 
gessen von der lärmenden Straße des Weltverkehrs fern abliegt. 
Aber in der Nähe des eisernen Schienenweges, vielleicht in der 
Richtung eines alten Handelszuges oder einer Talsenke, die durch 
ihre Form die Verkehrsrichtung vorschrieb, häufen sich die Häuser¬ 
massen immer mehr zusammen, und hochragende Schornsteine 
deuten auf die geräuschvollen Arbeitsstätten der Industrie. Weichen 
die Getreidefelder zurück vor Gemüsepflanzungen und weiten 
Blumengärten, die in gewaltigem Kreise die blühende Großstadt 
Erfurt umgeben, so gelangen wir in den Mittelpunkt der großen 
Landschaft, wo die Bevölkerung sich in größerer Zahl verdichtet und 
wo ein reges Leben flutet. Hier erheben sich die mächtigen Stein¬ 
bogen und Mauern eines Domes, Zeichen der mittelalterlichen Bau¬ 
kunst. Manch andere Stadt entstand unter dem Schutze trotziger 
Burgmauern, wo Landgrafen und Fürsten saßen und mit gepan¬ 
zerter Faust Wacht hielten, stets bereit zum blutigen Streit. Blühten 
doch auch unter ihrem eisernen Schutz die Künste und Wissenschaften, 
so daß durch die Vielheit der Residenzen und durch das Bestehen 
einer weit verzweigten Kleinstaaterei Bildung in weitere Volks¬ 
massen gelangte, wie es in solcher Weise sonst nicht möglich gewesen 
wäre. 
Wo aber der Wald am schönsten wuchs, reich belebt von Wild, 
und wo klare Wässer rannen, da erheben sich die Klöster mit ihren 
weithalligen Kirchen. Die Klosterbrüder brachten nicht nur das 
Christentum, sondern vielfach überhaupt die Anfänge der Kultur; 
denn sie rodeten den Wald und legten Pflanzungen an, sie bauten 
Wein, errichteten an den wasserreichen Bächen Mühlen, in denen 
der Felder Frucht gemahlen wurde; sie legten Teiche an zur Förde¬ 
rung des Fischreichtums; sie entwässerten Sümpfe und machten 
unbrauchbares Land urbar. 
Weit im Westen erhebt sich eine Bergmasse als ein kleines 
Tafelland, wegen seiner alten Eichen schon früh das Eichsfeld ge¬ 
heißen. In riesigem Kranze erstrecken sich gen Mitternacht bis nach 
der Morgenseite hinüber eine Reihe von Bergwällen, einsam und 
still, bewachsen mit herrlichen Buchen, aus deren grünen Wölbungen
	        
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