Full text: [Theil 7, [Schülerband]] (Theil 7, [Schülerband])

7 
Der Herbst war schon weit vorgerückt, der Winter meldete sich an 
mit einzelnen Schneegestöbern; der arme Konrad wagte es nicht, 
von seinem wenigen Gelde sich Holz zu kaufen, welches in jener 
Universitätsstadt in ziemlich hohem Preise steht. Da erbarmte sich 
seiner sein Wirt, ein wackerer alter Handwerksmann, den sein Ge¬ 
schäft als Schmied fast den ganzen Tag außer dem Zimmer in der 
Werkstätte hielt, indem er ihn einlud, in seiner wohldurchheizten 
Stube so viel zu lesen und zu schreiben, als er wolle. Das Winter¬ 
halbjahr ging jetzt zu ende, in welchem unser Konrad viel gearbeitet 
und wenig gegessen hatte; denn seine tägliche Nahrung seit des 
Onkels Tode war, außer am Sonntage, wo er gewöhnlich von 
seinem Hauswirt zum Mittagsessen eingeladen wurde, fast nichts 
anderes gewesen als Kartoffeln, Brot und Obst. Bei all seiner 
Sparsamkeit sah er sein ererbtes Geld fast schon zur Hälfte auf¬ 
gegangen; sollte er jetzt einige Kleidungsstücke, vornehmlich Stiefel 
sich kaufen, deren er sehr bedurfte, so blieb ihm kaum noch für die 
nächsten Monate das Unentbehrlichste übrig. Und seine Universitäts¬ 
studien waren noch lange nicht beendigt, er hatte noch volle andert¬ 
halb Jahre Vorlesungen zu hören. Dennoch behielt er guten Muth; 
denn er hatte frühe gelernt auf Gott vertrauen. 
In dem kleinen Städtlein, wo er geboren war, lebte noch sein 
Pathe, der Lehrer an der Schule des Ortes, ein Mann, den Gott 
reichlich mit Kindern gesegnet, mit anderen äußeren Glücksgütern 
aber nur wenig versehen hatte. Von diesem war Konrad schon 
mehrmals durch einen Handelsmann, der die Jahrmärkte der 
Universitätsstadt bezog, eingeladen worden, er solle ihn doch einmal 
während der Ferien besuchen. Der Jüngling, dem jede Äußerung 
von Liebe gegen ihn, den Verlassenen, so wohl that, beschloß jetzt, 
der Einladung zu folgen. Ein wenig Wäsche und ein gutes Buch 
auf den Weg, das war alles, was er zu tragen hatte; schon am 
nächsten Tage gegen Abend traf er bei seinem alten Pathen ein, 
der ihn mit herzlicher, väterlicher Liebe bei sich aufnahm. „Warum, 
so fragte der alte Freund seines väterlichen Hauses eines Tages 
Konrad, warum entschließen Sie sich nicht zu einer Reise nach 
Holland? Sie wissen, daß Ihr Großvater, obgleich er auch von 
Geburt ein Hesse war, in Amsterdam gewohnt hat, und ich weiß 
es aus Ihres seligen Vaters Munde, daß dort noch sehr wohl¬ 
habende Verwandte von Ihnen leben. Was wäre es für einen 
von diesen, Ihnen das Wenige zu geben, was Sie zur Vollendung 
Ihrer Studien noch brauchen? Übrigens wüßte ich auch eine Ge¬ 
legenheit, durch welche Sie in diesen Tagen mit wenig Kosten, ja 
vielleicht ganz umsonst, auf einem Rheinschiffe bis nach Rotterdam 
fahren könnten. Denn es geht ein Fahrzeug, mit Korn beladen,
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.