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von Cumä entfernt. Die Stadt war nicht groß — ihre greifte
Länge betrug 3300 Fuß, ihre gröste Breite 2300 Fuß, — aber sie
war wohlhabend und voll frischen Lebens. Obgleich sie nicht un¬
mittelbar am Meer lag, so war sie doch die Hafenstadt für eine
Anzahl Städte des Hinterlandes. Der Sarnus diente als Wasser¬
straße. Und außerdem war die ganze Umgebung des Vesuv von
außerordentlicher Fruchtbarkeit, sie war reich an Getreide, an Öl und
Wein — Gaben, welche die zahlreich sich herandrängenden Um¬
wohner, ohne es zu wissen, dem Vesuvius selbst zu verdanken hatten.
In unvordenklicher Zeit hatten die Ausbrüche seines unterirdischen
Feuers das Land umher mit vulcanischen Massen überstreut, die
sich im Laufe der Zeit in den fruchtbarsten Humus umgewandelt
hatten. Davon wußten die Bewohner nichts; sie erfreuten sich an
dem großartigen und doch anmuthigen, schönen Bergkegel, der bis
zu seinem Gipfel urbares Feld, Weinberge und Ölgärten trug und
eine Zierde der Landschaft war, ohne Ahnung dessen, was er tückisch
in seinem Innern barg. Höchstens kam ein forschender, nachdenkender
Mann durch die Beschaffenheit seines Gipfels auf den Gedanken,
daß dieser Berg ein ausgebrannter Vulcan sein möchte; aber eine
Erneuerung früherer Schrecken fürchtete niemand. So sagt Strabo,
ein Zeitgenosse des Augustus: „Über diesen Orten (Pompeji
u. a.) erhebt sich der Berg Vesuvius, bis an seinen Gipfel von
herrlich angebauten Feldern umgeben. Der Gipfel aber ist grösten-
theils flach und ganz unfruchtbar, dem Ansehen nach aschig, und
man sieht daselbst Höhlungen in den porösen Steinen von rußiger
Farbe, als wären sie von Feuer zerfressen, so daß man schließen
möchte, der ganze Ort habe einmal gebrannt und enthalte Feuer¬
krater, sei aber erloschen, nachdem ihm der Stoff ausgegangen.
Vielleicht ist dies gerade der Grund der ihn umgebenden Frucht¬
barkeit, wie man sagt, daß bei Katana die Gegend so vorzüglichen
Wein hervorbringe, seitdem ein Theil derselben mit der vom Ätna
ausgeworfenen Asche bedeckt ist."
Die Einwohner Pompejis genossen ihr Glück in behaglicher
Ruhe bis in die Kaiserzeit, und mancher reiche Römer, der dem
Treiben der Hauptstadt sich entziehen wollte, verlebte seine Tage in
diesem anmuthigen Thale in stiller Zurückgezogenheit. Zum ersten¬
mal schreckte der nahe Berg, doch ohne daß man ihn für den Ur¬
heber hielt, die Bevölkerung am 5. Februar des Jahres 63 n. Chr.
durch ein furchtbares Erdbeben, das in den benachbarten Städten
große Verheerungen anrichtete, ganz besonders aber in Pompeji
wütete und zahlreiche Gebäude niederwarf oder beschädigte. Dadurch
ging manches Monument der älteren Zeit zu gründe, und bei bem
Wiederaufbau der Stadt wurde ein neuer Stil, wie er der neronischen