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Und wenn er nicht verschollen, warum vergißt er ganz
Der tapfern Väter Thaten, der alten Waffen Glanz?
Man lispelt leise Liedchen, man spitzt manch Sinngedicht,
Man höhnt die holden Frauen, des alten Liedes Licht;
Wo rüstig Heldenleben längst auf Beschwörung lauscht,
Da trippelt man vorüber und schauert, wenn es rauscht.
Brich denn aus deinem Sarge, steig aus dem düstern Chor
Mit deinem Heldensohne, du Rauschebart, hervor!
Du schlugst dich unverwüstlich noch greise Jahr' entlang,
Brich auch durch unsre Zeiten mit hellem Schwerterklang!
Der Überfall im Wildbad.
In schönen Sommertagen, wann lau die Lüfte wehn,
Die Wälder lustig grünen, die Gärten blühend stehn,
Da ritt aus Stuttgarts Thoren ein Held von stolzer Art,
Graf Eberhard der Greiner, der alte Rauschebart.
Mit wenig Edelknechten zieht er ins Land hinaus,
Er trägt nicht Helm noch Panzer, nicht geht's auf blut'gen Strauß;
Ins Wildbad will er reiten, wo heiß ein Quell entspringt,
Der Sieche heilt und kräftigt, der Greise wieder jüngt.
Zu Hirsau bei dem Abte, da kehrt der Ritter ein
Und trinkt bei Orgelschalle den kühlen Klosterwein;
Dann geht's durch Tannenwälder ins grüne Thal gesprengt,
Wo durch ihr Felsenbette die Enz sich rauschend drängt.
Zu Wildbad an dem Markte, da steht ein stattlich Haus,
Es hängt daran zum Zeichen ein blanker Spieß heraus.
Dort steigt der Graf vom Rosse, dort hält er gute Rast,
Den Quell besucht er täglich, der ritterliche Gast.
Wann er sich dann entkleidet und wenig ausgeruht
Und sein Gebet gesprochen, so steigt er in die Flut;
Er setzt sich stets zur Stelle, wo aus dem Felsenspalt
Am heißesten und vollster: der edle Sprudel wallt.
Ein angeschoßner Eber, der sich die Wunde wusch,
Verrieth voreinst den Jägern den Quell in Kluft und Busch;
Run ist's dem alten Recken ein lieber Zeitvertreib,
Zu waschen und zu strecken den narbenvollen Leib.
Da kommt einsmals gesprungen sein jüngster Edelknab':
„Herr Graf, es zieht ein Haufe das obere Thal herab.