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Da ruft ihm zu der ernste Greis:
„Es hat ein jung und blühend Reis
Der Gärtner abgebrochen."
Und mit dem heil'gen Sakrament
Und mit dem Docht, der zagend brennt,
Wankt so der Alte weiter;
Doch ob der Arzt auch seufzt und schweigt
Und sein betrübtes Antlitz neigt.
Des Grafen Blick ist heiter.
„Ja, zarte Blumen welken bald,
Die Bäume stehn und werden alt,
Drum bleib ich ungestorben.
Mein zweiter Traum mir treu verspricht,
Daß meiner Hütte Bau nicht bricht,
Eh daß ein Baum verdorben.
Siehst du dort in des Hofes Raum
Den schlanken, mächt'gen Eichenbaum?
Er grünt vom Fuß zum Gipfel.
Das ist der zweite sich're Spruch:
Ihr legt mich nicht ins Leichentuch,
Eh denn verdorrt sein Wipfel."
Und sieh, der Sonne Schein vergeht,
Und sieh, die schwüle Windsbraut weht,
Am Himmel zürnt das Wetter.
Der erste Strahl, der niederfährt,
Der hat den Eichenstamm versehrt,
Versengt ihm alle Blätter.
Der Graf hebt sich von seinem Sitz,
Er glaubt dem Donner und dem Blitz,
Er hört des Herren Stimme.
„Ich komme bald, ich bin bereit!
Laß nur zur Beichte, Herr, mir Zeit,
Nicht fordre mich im Grimme!"
Hin wankt er, wo der Quell sich rührt.
Vom Priester und vom Arzt geführt,
Zu beichten und zu lauschen.
Er schlummert ein beim Strudel hell,
Erwachend hört er dann den Quell
Des ew'gen Lebens rauschen. Schwab.