Full text: [Abteilung 3 = Quarta, [Schülerband]] (Abteilung 3 = Quarta, [Schülerband])

Simrock. 
295 
12. Da fragt' er nachMariens Sohne: 
„Ich dient'ihm, Müßt'ich nur, womit". 
Doch Antwort ward ihm nie zum 
Lohne, 
Als die ihm gab ein Eremit; 
Der sprach: „Mit Beten und mit 
Fasten 
Mußt du das Herz der Sünd' ent¬ 
lasten". — 
13. „Viel beten ist nicht meine Sache; 
Das Fasten halt' ich gar nicht aus. 
Weißt dunichtanders, wieich's mache, 
So find' ich nie des Herren Haus. 
Sonst will ich jedes Dienstes pflegen; 
Magst mir den schwersten aufer¬ 
legen." — 
14. „Wohlan, dort gießt sich ohne 
Brücke 
Ein Wasser durch das Felsenthal, 
Da trag hinüber und zurücke 
Die frommen Pilger allzumal! 
So leih dem Herrn der Glieder Stärke, 
Daß er des Dieners Eifer merke!" 
15. Das that er gern in Gottes 
Namen; 
Die Hütte baut' er am Gestad', 
Und alle, die zum Ufer kamen, 
Die trug er trocken durch das Bad. 
Den knot'gen Stab in starker Rechte, 
Sah man ihn waten Tag' und Nächte. 
16. Einst ruht' er, müde, sich vom 
Gange; 
Da weckt' ihn einer Stimme Ton, 
Ein starker Ton mit hellem Klange: 
„Hol' mich hinüber, Riesensohn!" 
Hin schritt er durch des Stromes 
Rauschen 
Und fand ein Kind am Ufer lauschen. 
17. Das hob er auf den breitenRücken, 
Durchschritt die Flut und fühlte schwer 
Das Kind auf seinem Nacken drücken, 
Als ob es Blei und Eisen wär'; 
Und schwerer lastete die Bürde, 
Als ob es gar zum Berge würde. 
18. Auch schwoll das Wasser wild 
gehoben 
Und stieg ihm schier bis an den Mund. 
Mit Mühe hielt er sich noch oben; 
Das erste Fürchten ward ihm kund: 
„Ei, Kind, du bist so schwere Plage; 
Mir ist, als ob die Welt ich trage". 
19. Da sprach es: „Nicht die Welt 
alleine, 
Du trägst auch den, der sie erschuf". 
Da drückt'ihn in den Strom der Kleine 
Und grüßt' ihn mit dem Segensruf: 
„Christophorus will ich dich taufen; 
Das ew'ge Leben sollst du kaufen. 
20. Du wolltest nur dem Größten 
dienen; 
Am schwersten ward des Kleinsten 
Last. 
Der Herr der Welt ist dir erschienen, 
Weil du dich treu erwiesen hast. 
Nun stoß den Stab in Gottes Erde 
Und warte, ob er grünen werde!" 
21. Verschwunden war der goldne 
Knabe, 
Der auf der Achsel schwer geruht. 
Christophorus an seinem Stabe 
Entstieg der schnell gesunknen Flut. 
Da stieß er ihn in Gottes Erde, 
Ob er am Morgen grünen werde. 
22. AmMorgen trat er zum Gestade, 
Jetzt schien ihm alles nur ein Traum; 
Doch Schatten fiel auf seine Pfade, 
Und Bienen schwärmten durch den 
Raum; 
Die Stütze sah er ausgeschlagen 
Und rot wie Mandeln Blüten tragen. 
23. Da sank er nieder an dem 
Stamme, 
Beseligt sank der müde Greis; 
Und Lieder stimmte, wundersame, 
Die Nachtigall zu Gottes Preis. 
Bald hört' er in die zauberischen 
Der Engel Jubelchor sich mischen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.