Full text: [Cursus 2, [Schülerband]] (Cursus 2, [Schülerband])

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6. Die Peaks-Höhle. 
Ein enges, schauerliches Thal empfing uns; kein Baum, keine Spur 
von Vegetation, nur nackte und steile Felsen, zwischen denen wir uns 
ängstlich hinwinden mußten, die jeden Augenblick den Weg zu ver¬ 
sperren schienen. Wir durchreisten die ödeste, traurigste, schauerlichste 
Gegend in England. Endlich langten wir in Castleton an, einem so 
armen Städtchen, wie wir noch keines in England gesehen hatten. Wir 
eilten bald nach der Peaks-Höhle. Sie liegt nahe bei der Stadt. Der 
Eingang derselben ist wahrhaft groß und iniposant. Eine Reihe meist 
senkrecht steiler Felsen von wunderbar zackiger Form erhebt die mit 
Bäumen gekrönten Scheitel. In einem derselben hat die Natur ein 
furchtbares, 42 Fuß hohes und 120 Fuß breites Thor gewölbt, durch 
welches man in undurchdringliches Dunkel zu blicken wähnt. Vor 
der Wölbung hängen ungeheure, bizarr geformte Tropfsteine; wildes 
Gesträuch rankt dazwischen, Epheu umwindet sie und flattert in leichten 
Kränzen darum her. Felseustücke hängen herab, Untergang drohend 
dem Haupte dessen, der vorwitzig in die Geheimnisse der Unterwelt 
dringen will. Wir traten in die Höhle. Die dunkle Nacht ward dem 
allmählich sich daran gewöhnenden Auge zur Dämmerung. Bald 
unterschieden wir darin eine Menge Weiber und Kinder, emsig spin¬ 
nend, die ärmlichsten Gestalten, welche die Phantasie nur erdenken 
kann. Gnomen gleich, hocken sie in dieser kalten, feuchten Dunkelheit 
und fristen kümmerlich ihr armes Leben; des Nachts schlafen sie in 
kleinen, bretternen Hütten, die sie sich in der Höhle erbauten, und deren 
wir eine ziemliche Anzahl umherstehen sahen. Ungestüm bettelnd um¬ 
gaben sie uns, so wie sie uns gewahrten. Wir waren froh, nach dem 
Rathe der Wirthin in Castleton eine Menge Kupfergeld eingesteckt zu 
haben, um uns loszukaufen. Die Wärme der Höhle im Winter, die 
ein eigentliches Haus entbehrlich macht, der kleine Gewinn, den die 
Fremden ihnen gewähren, vor Allem aber die Freiheit von Abgaben, 
welche nur auf der Oberwelt, im Sonnenlichte gefordert werden, be¬ 
wegt die Armen, eine so unfreundliche Wohnung zu wählen. Nachdem 
wir uns von ihrem Ungestüme losgemacht hatten, kauften wir Lichter. 
Jeder von uns mußte eins tragen; der Führer trug deren zwei voraus, 
und so ging es denn weiter in vcn ganz finstern Hintergrund der Höhle. 
Der Führer machte uns auf einige ungeheuer große Tropfsteine auf¬ 
merksam, welchen er allerhand Namen gab. Dann öffnete er eine 
schmale, niedrige Thür, und wir standen in einem großen Gewölbe, von 
dessen Decke große Felsenstücke drohender als je über unsere Häupter 
herabhingen. Der Schiminer der flackernden Lichter machte sie noch 
grausendcr; sie schienen sich zu bewegen. Jetzt ward das Gewölbe ganz 
niedrig. Gebückt, mit unsicherem Tritte auf dem schlüpfrigen, unebenen 
Boden, mußten wir uns lange durch eine enge Felsenspalte winden; 
bald ging es steil in die Höhe, bald eben so hinunter. Die Luft war 
schwer, wir möchten sagen zähe, denn ihr Widerstand schien uns fühl¬ 
bar. Endlich konnten wir unsere Häupter erheben. Wir befanden uns 
in einem kleinen Gewölbe und bald am Ufer eines unterirdischen 
Stromes, der hier, wie der Styx, kalt und stumm in ewiger Nacht die
	        
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