Frauenlyrik.
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Zitternd vor Furcht und Frost hob's die Gardinen,
um nach dem späten Wanderer zu späh'n,
doch einsam lag der Garten, mondbeschienen,
und keine Spur war auf dem Schnee zu sehn.
Die Äunde aber bellten immer noch,
und ihre Ketten klirrten. An der Äecke
duckte der Tod sich, der vorüberkroch,
damit sein Schatten nicht das Kind erschrecke.
Aus seinem weiten, weißen Schafspelz stach
der Sense Stahl und blitzte aus dem Graben.
Das sah die Kleine, die verschlafen sprach:
„Da liegt ein Mond im Schnee, den möcht' ich haben!"
19. Pfingsten.
Der Turm von Sankt Brigitten
blitzte im Morgenschein,
alle Glocken gingen und klangen
und segneten Pfingsten ein.
Die blonden Mädchen schritten,
Maililien in der Äand,
an ihren weißen Kleidern
rauschte das Schärpenband.
Von dem betäubenden Dufte
der Frühnarzissen matt,
strichen die Morgenwinde
durch die alte Hansestadt.
20. Das Begräbnis.
Auf der Gasse vorm Giebelhaus
drängten sich gaffende Leute,
über den Strom durchs Sturmgebraus
klang das Sterbegeläute.
Es hingen halbmast, wie von Tränen erschlafft,
die Fahnen im Regenschauer,
der alten Hansestadt Kaufmannschaft
trug um Daniel Ovander Trauer.
Zum erstenmal sah ein Werkeltag,
daß auf des Schreibpults Leder
verstaubt und still das Hauptbuch lag
und müßig am Tintfaß die Feder.