Ein gotischer Dom.
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lichen Portalbau. Von Ornamenten treten besonders die kleinen Arkaden¬
stellungen, die sogenannten Laufgänge, hervor, ferner der Rundbogenfries
unter den Gesimsen, der immer als charakteristisches Zeichen des romani¬
schen Stils gelten kann. Die rundbogigen Fenster und die Portale
sind verhältnismäßig klein, als sollte der geheiligte Znnenraum, anstatt
sich einladend zu öffnen, von der Welt und ihrem Treiben abgeschlossen
werden.
Der Dom zu Speier ist für uns ein herrliches Denkmal der Kraft
und Kühnheit der alten Kaisergeschlechter, die sich zu einer Zeit, da
eben der Kampf mit dem Papsttum entbrannte, als die Schirmherren
der Kirche fühlten, damit zugleich ein Denkmal für das segensreiche
Wirken des mittelalterlichen Christentums, das im Schutze eines solchen
Äauses mitten unter den Kämpfen einer rauhen Zeit Trost und Seelen¬
frieden zu spenden vermochte. Nachdem 1689 während des dritten
Raubkrieges die Franzosen den Dom in Brand gesteckt und die Kaiser¬
gräber geschändet hatten, lag er lange in Trümmern, bis er unter
Ludwig I. von Bayern glänzend wieder hergestellt wurde.
G. War necke.
61. Ein gotischer Dom.
Wunderbar und wunderreich wie der Glaube der mittelalterlichen
Zeit ist das Innere des gotischen Doms. Der durch die großen Fenster
überall eindringende Tag wird durch bunte Glasmalereien gedämpft,
und in diesen: magischen Licht erscheint das bunte Gewirr der Pfeiler
und Nippen, die alle nur den einen Drang nach oben haben und sich
dort hundertfach verschlingen und kreuzen, noch geheimnisvoller. Bei
jedem Wechsel des Standorts verschieben sich die Pfeilerreihen gegen¬
einander und bieten immer neue Wunder für das Auge. Je länger
wir weilen, desto mehr entfesseln die erhabenen Räume in unserer
Seele die schlummernden Harmonien einer andächtigen und weihevollen
Stimmung und verleihen unserer Phantasie zauberische Flügel zum
bunten Spiel mit sonst ungeahnten Empfindungen, denen von der
Schwere und Greifbarkeit irdischen Stoffes kaum noch die Erinnerung
anklebt. Rur mit Mühe vermögen wir uns in einem Doin wie dem
Kölner zu einer ruhigen Erkenntnis des Zusammenhanges der Glieder
zu sammeln. Durch die spitzbogigen Arkaden gelangt man in die niedrigen
Seitenschiffe. Äber den Arkaden läuft rings um das ganze Innere ein
schmaler Mauergang, das sogenannte Triforium, das sich mit Bogen¬
stellungen über Säulchen nach der Kirche hin öffnet. Darüber steigen die
Fenster des Mittelschiffes bis zu den Gurten der Gewölbekappen empor.