Full text: Poesie und Prosa (Band 6 = Klasse 2 und 1, [Schülerband])

Ein gotischer Dom. 
405 
lichen Portalbau. Von Ornamenten treten besonders die kleinen Arkaden¬ 
stellungen, die sogenannten Laufgänge, hervor, ferner der Rundbogenfries 
unter den Gesimsen, der immer als charakteristisches Zeichen des romani¬ 
schen Stils gelten kann. Die rundbogigen Fenster und die Portale 
sind verhältnismäßig klein, als sollte der geheiligte Znnenraum, anstatt 
sich einladend zu öffnen, von der Welt und ihrem Treiben abgeschlossen 
werden. 
Der Dom zu Speier ist für uns ein herrliches Denkmal der Kraft 
und Kühnheit der alten Kaisergeschlechter, die sich zu einer Zeit, da 
eben der Kampf mit dem Papsttum entbrannte, als die Schirmherren 
der Kirche fühlten, damit zugleich ein Denkmal für das segensreiche 
Wirken des mittelalterlichen Christentums, das im Schutze eines solchen 
Äauses mitten unter den Kämpfen einer rauhen Zeit Trost und Seelen¬ 
frieden zu spenden vermochte. Nachdem 1689 während des dritten 
Raubkrieges die Franzosen den Dom in Brand gesteckt und die Kaiser¬ 
gräber geschändet hatten, lag er lange in Trümmern, bis er unter 
Ludwig I. von Bayern glänzend wieder hergestellt wurde. 
G. War necke. 
61. Ein gotischer Dom. 
Wunderbar und wunderreich wie der Glaube der mittelalterlichen 
Zeit ist das Innere des gotischen Doms. Der durch die großen Fenster 
überall eindringende Tag wird durch bunte Glasmalereien gedämpft, 
und in diesen: magischen Licht erscheint das bunte Gewirr der Pfeiler 
und Nippen, die alle nur den einen Drang nach oben haben und sich 
dort hundertfach verschlingen und kreuzen, noch geheimnisvoller. Bei 
jedem Wechsel des Standorts verschieben sich die Pfeilerreihen gegen¬ 
einander und bieten immer neue Wunder für das Auge. Je länger 
wir weilen, desto mehr entfesseln die erhabenen Räume in unserer 
Seele die schlummernden Harmonien einer andächtigen und weihevollen 
Stimmung und verleihen unserer Phantasie zauberische Flügel zum 
bunten Spiel mit sonst ungeahnten Empfindungen, denen von der 
Schwere und Greifbarkeit irdischen Stoffes kaum noch die Erinnerung 
anklebt. Rur mit Mühe vermögen wir uns in einem Doin wie dem 
Kölner zu einer ruhigen Erkenntnis des Zusammenhanges der Glieder 
zu sammeln. Durch die spitzbogigen Arkaden gelangt man in die niedrigen 
Seitenschiffe. Äber den Arkaden läuft rings um das ganze Innere ein 
schmaler Mauergang, das sogenannte Triforium, das sich mit Bogen¬ 
stellungen über Säulchen nach der Kirche hin öffnet. Darüber steigen die 
Fenster des Mittelschiffes bis zu den Gurten der Gewölbekappen empor.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.