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Ich stellte mir vor, so ein militärisches Kaffeehaus werde eine
große Halle sein, wo das Kriegsvolk, an langen Eichentischen sitzend,
bei vollen, blankgescheuerten Kannen sich wohl sein läßt, und ringsum
an den Wänden Waffen hängen; mir schwebte so etwas von einem
5 Rittersaal vor. Meine Phantasie hatte mir wieder einen schlimmen
Streich gespielt. Madame Linksen war die Frau des Feuerwerkers und
hatte hinsichtlich der Reinlichkeit den Vorrang vor allen andern Etablisse¬
ments in der Kaserne. Man glaube aber deshalb ja nicht, daß es
wirklich in ihrer Wirtschaft reinlich und ordentlich zugegangen. Nur
10 ein ausgepichter Soldatenmagen oder ein unschuldiger Neuling konnten
hier tägliche Kunden werden. Madame Linksen war dafür bekannt, daß
sie den meisten Kredit gab, aber auch den größten Prosit nahm; be¬
sonders wußte sie sehr gut uns jungen Leuten das noch vorräthige
Geld aus der Tasche zu locken, den Aufenthalt in ihren vier Wänden
15 erträglich, sogar angenehm und in Ermanglung eines bessern zuletzt
unentbehrlich zu machen. Erschien ich in den ersten Monaten meiner
Dienstzeit, wo ich noch bei Kasse war, an der Thür ihres Zimmers,
und es mochte noch so voll darin sein, so ward mir sicher ein Plätzchen ein¬
geräumt. Madame warf entweder ihren kleinen Sprößling vom ehelichen
20 Bette und bot es mir als Sopha an, oder sie blickte mit prüfendem Auge
umher, schlug im Geist ihr Rechnungsbuch auf und sah nach, welcher von
den Dasitzenden bei ihr am tiefsten in der Kreide war. Dieser mußte wei¬
chen, und hatte er guten Ton, so erhob er sich freiwillig auf den bedeut¬
samen Wink ihres Auges; man konnte glauben, er sei des Sitzens müde:
25 war er aber ein Harthöriger, so kam es der Madame Linksen nicht da¬
rauf an, ihm ihr Anliegen mit Worten bekannt zu machen.
In diesem Café militaire waren morgens zwischen zehn und elf
Uhr sämtliche Geld oder Kredit habende Gourmands und Fashionables
der Batterie zu finden. Es gehörte zum guten Ton, hier um diese
30 Stunde einen Bittern zu vier Pfennig, ein Brötchen mit Wurst zu
acht Pfennig, kurz ein Frühstück im Betrag von einem Silbergroschen zu
sich zu nehmen und dabei bedeutend über Dienst, Offiziere, Pferde
und gehabte Abenteuer zu raisonniren. Die Jungen und Unerfahrenen,
wie ich, verhielten sich dabei ganz leidend und lauschten aufmerksam
35 den wichtigen Worten, die dein Munde der Langgedienten entfielen.
Bänke und Stühle waren besetzt, sogar auf Tisch und Bett lagen die
Völker; der Tschako hieng nachlässig auf einem Ohr und wurde durch
die Schuppenketten, welche man zwischen die Zähne nahm, festgehalten:
der Säbel zwischen den Beinen diente dem gesenkten Haupt zur Stütze.
40 So saß die Gesellschaft beisammen, plaudernd, lügend und aufschneidend.
Der eine war am Morgen mit einem Offizier, den er nicht leiden
koimte, zusammengerathen, und wenn man seiner undeutlichen Erzählung,
und beim plötzlichen Abbrechen derselben seiner vielsagenden Handbe¬
wegung, verbrämt mit einem zufriedenen Lächeln, glauben wollte, so
45 hatte er seinem Vorgesetzten wenigstens Ohrfeigen angeboten. Ein an¬
derer war in vergangener Nacht in einem Wirtshause gewesen, hatte
da alles kurz und klein geschlagen, war durchgebrannt, dann einer Pa¬
trouille in die Finger gefallen, hatte sie in die Flucht geschlagen, und
zu guter letzt noch den Posten am Kasernenthor, der ihn arretiren wollte,
50 umgerannt. Einer überbot den andern im Bericht von Heldenthaten.
So saß, sprach, fluchte und lachte alles durcheinander, bis endlich gegen
elf Uhr ein Trompetenstoß ganz anderes Leben in die Versammlung
brachte. Draußen versuchte der Trompeter à jour sein Instrument,
ließ es leise ertönen, um das Signal zum Appell gleich darauf richtig