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bekleidet, mit einer mächtigen Kuppel, die über dem bleiernen Dach
emporragte, und stand auf einer etwas erhöhten Fläche innerhalb
bwes von vier Seiten mit Mauern umschlossenen Vorhofs, der gleich
jener Fläche ganz mit weißem Marmor belegt war. Doppelte Ring¬
mauern, mit starken Thürmen besetzt, umschlossen die Stadt, soweit 5
üe nicht durch ihre Lage unzugänglich war. Sie war aber auf drei
Seiten durch tiefe Thäler von der gebirgigen Umgegend geschieden.
Ostwärts nemlich zieht sich das Thal Josaphat zwischen dem Moria
und dem Oelberge; südlich und zum Theil westlich bilden die schroffen
Abhänge des Berges Zion das enge Thal Hinnom; nur nordwärts er-10
streckt sich eine weite Ebene bis unmittelbar zur Stadt. Auf dieser
und einem Theil der Westseite, soweit die Gegend zugänglich war,
jchlugen die Christen gleich den folgenden Tag ihr Lager, und zwar
Zunächst dem Stephansthore, im Nordosten Herzog Gottfried von
Bouillon, dann in westlicher Richtung folgten die Grafen Robert von 15
Flandern und von der Normandie, hierauf Tankred vor dem nach ihm
benannten Thurme, zuletzt Graf Raimund von Toulouse vor dem west-
"chen Davidsthore, der später einen Theil seines Lagers südlich un¬
mittelbar vor der Stadt auf den Zion neben die Marienkirche verlegte.
Das gesamte Heer belief sich noch auf 40,000 Köpfe, darunter aber 20
Nur 20,000 streitbares Fußvolk und 1500 Ritter. Die bewaffneten
Vertheidiger der Stadt betrugen ebenfalls 40,000; die einheimischen
Insten waren größtentheils aus der Stadt vertrieben worden, die
übrige Bevölkerung wetteiferte in der Vertheidigung mit der ägyp-
stschen Besatzung, welche erst kürzlich die Seldschucken daraus ver-25
jagt hatte.
Bei der ungeduldigen Kampflust der Pilger ward schon am fünften
Dage ein allgemeiner Sturm gewagt und nach hartnäckigem Kampfe
ble erste Ringmauer erobert; aber der gänzliche Mangel an Belagerungs-
^räth, welchen keine Begeisterung zu ersetzen vermochte, zwang sie, 30
stch wieder zurückzuziehen. Ein syrischer Christ zeigte ihnen in ziem-
ücher Entfernung ein verborgenes Thal, wo sie das nothdürstige Bau-
b^lz fanden, und nun begann man mit dem regesten Wetteifer die
Arbeit. Wer sich nicht auf Fertigung der Maschinen verstand, war
!uü Handleistungen und Herbeischaffen der Balken und Faschinen thätig; 35
^Kosten wurden durch Beiträge gedeckt; keiner zog sich zurück, Reiche
Arme, Ritter und Knappen, jeder wußte kaum sich selbst zu ge¬
igen, um das große Ziel zu erreichen. Bald aber hatte ihre Aus¬
bauer eine harte Probe zu bestehen. Entsetzlicher Durst peinigte ärger,
zu Antiochien der Hunger. Die ohnedies wasserarme Gegend war 40
bvn der Glühsonne der heißen Jahreszeit ausgedörrt, der Bach Kidron,
sicher durch das Thal Josaphat fließt, versiegte, die einzige Quelle
^llotz floß unterbrochen und gab ungenießbares, salziges Wasser, alle
andern Quellen weit und breit waren vom Feinde verstopft, Brunnen
^ad Zisternen verschüttet. Fünf bis sechs Meilen weit holte man in 45
Schläuchen spärliches Getränk, welches für das Bedürfniß der Men¬
hir bei weitem nicht ausreichte, geschweige der Thiere, die haufen-
Me hinstarben und die Luft verpesteten. Und wenn man nun, um
Passer und Futter zu holen, auszog, so brachen feindliche Haufen aus
'Unterhalten hervor und überfielen die Zerstreuten. In dieser Noth 50
var die Ankunft einer genuesischen Flotte sehr erfreulich. Dieselbe
rächte Lebensmittel und neue Mannschaft, darunter geschickte Werk¬
te, welche eben» jetzt treffliche Dienste leisteten. Mit verstärktem
^"lt und Eifer wurden nun die Werke um die Stadt vollendet, darauf
^ager, Deutsches Elemcutartverk. I 8. Sechste Ausl.
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