Kutzen: Der niedersächsische Volksstamm.
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mittleren Raumes ist häufig offen und ohne Schornstein. „Die Wohnung
eines gemeinen Bauern," sagte Justus Möser, der ausgezeichnete Ver¬
fasser der osnabrückischen Geschichte, der Geschichte seines Vaterlandes,
„ist in ihrem Plane so vollkommen, daß solche gar keiner Verbesserung
fähig ist und zum Muster dienen kann. Der Herd ist fast in der
Mitte des Hauses und so angelegt, daß die Frau, welche bei demselben
sitzt, zu gleicher Zeit alles übersehen kann. Ein so großer und bequemer
Gesichtspunkt ist in keiner andern Art von Gebäuden. Ohne von ihrem
Stuhle aufzustehen, übersieht sie zu gleicher Zeit drei Thüren, dankt
denen, die hereinkommen, heißt sie bei sich niedersitzen, behält ihre
Kinder und ihr Gesinde, ihre Pferde und Kühe im Auge, hütet Keller,
Boden und Kammer, spinnt immer fort und kocht dabei. Ihre Schlaf¬
stelle ist hinter diesem Feuer, und sie behält aus derselben eben diese
große Aussicht, sieht ihr Gesinde zur Arbeit aufstehen und sich nieder¬
legen, das Feuer anbrennen und verlöschen und alle Thüren auf- und
zugehen, hört ihr Vieh fressen, die Weberin schlagen und beachtet Keller,
Boden und Kammer. Jede zufällige Arbeit bleibt in der Kette der
übrigen. Sowie das Vieh gefüttert und die Dresche gewandt ist, ruht
sie wieder hinter ihrem Spinnrade. Diese vereinigten Vorteile machen,
daß die Bauern lieber beim Herde als in der Stube sitzen".
Auch andere Gewohnheiten haften an den lieb gewonnenen Ein¬
richtungen des Hauses, obgleich durch Landesart, größeren Aufwand
und obrigkeitliche Anordnungen im einzelnen Abweichungen bedingt
worden sind. Wo alles unter einem Dache, um ein Feuer beisammen
lebt, wo der weite Raum der Einfahrt gleichsam ein bedeckter Markt¬
platz für das kleine häusliche Gemeinwesen ist, um welchen herum
dessen sämtlichen Gliedern, Menschen und Vieh, ihre besondern Plätze
angewiesen ftnb; wo eben dieser Raum die Jugend nicht bloß zu an¬
gestrengter Arbeit, sondern auch zu heiterem Tanze und Gelage ver¬
sammelt: da mußte ein haushälterischer, anhänglicher Sinn für die
Familie, eine größere Anhänglichkeit selbst ans Vieh, da mußte für den
Genuß der Freuden des Lebens im engen, bekannten Kreise eine festere
Neigung entstehen, als wo alles innerhalb derselben Wirtschaften zer¬
fahren und getrennt lebt. Wo ferner, wie man im Osnabrückischen
und im Münsterland zu sehen Gelegenheit hat, die Gehöfte oft ganz
zerstreut und vereinzelt liegen, wo der Landmann nicht selten fast eine
Viertelstunde bis zum nächsten Nachbar, eine Stunde bis zum nächsten
Wirtshause zu gehen hat, da muß gleichfalls die Häuslichkeit natür¬
licher, entwickelter als in jenen Gegenden sein, in welchen durch ent¬
gegengesetzte Verhältnisse leicht Störungen in den Familienkreis kommen.
In der That, nicht darf man sich Deutschland zu kennen rühmen,
hat man nicht auch diese westfälisch-niedersächsischen Gaue mit ihren
vereinzelten Bauerhöfen, mit ihren prächtigen Wiesenplanen und Eichen¬
wäldern kennen gelernt. Es ist wahr, unser Vaterland hat anderwärts,
besonders in seinem Südwesten und in dem mittleren Westen, den unbe¬
strittenen Vorzug weit größerer Mannigfaltigkeit in Bodenbeschaffenheit
und Volksleben; aber auch das Weite, Auseinandergezogene, Bequeme,