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2. Sagen.
1V3. Die Walküren.
Dem Helden- und kampferregenden Odin stehen besondere
dämonische Dienerinnen zu Gebot, die Walküren. Das heidnische
Nordland kennt dreierlei weibliche Wesen, die, von göttlichem Geist
getrieben, auf das Schicksal der Sterblichen einwirken: Nornen,
Wölen, Walküren. Die drei großen Nornen sind die Zeit- und
Schicksalsgöttinnen, die, am Urdarbrunnen wohnend, jeden Tag
die große Weltesche begießen. Sie finden sich bei jedes lindes
Geburt ein und teilen ihm Lebensdauer und Geschick zu. Sie
entscheiden das Schicksal der Welt, wie das der einzelnen Menschen.
Wenn die Nornen das Schicksal weben, so verkünden es die
Wölen. Mythische Wölen weissagen von den Weltschicksalen und
deuten die Träume, von welchen die Himmlischen geängstigt werden.
Aber auch irdischerweise, noch in christlicher Zeit, ziehen Wölen
umher und werden über die Zukunft des Landes oder des einzelnen
befragt. Die Walküren endlich sind die wichtigsten. Sie werden
von Odin zu jeder Schlacht ausgesandt, wählen die, welche fallen
sollen, wovon sie den Namen haben, und walten über den Sieg.
Darum heißen sie auch Odins Mädchen, Kriegsschwestern, Sieges¬
jungfrauen. Die Namen, unter denen sie einzeln aufgezählt werden,
beziehen sich großenteils auf Waffensturm und Kampflärm. Helm¬
geschmückt, Flammen auf der Lanzenspitze, in Glanz und Wetter¬
leuchten, reiten sie durch die Luft; wenn ihre Rosse sich schütteln,
fällt von den Mähnen Tau in die Tale und Hagel auf die Wälder,
davon den Menschen fruchtbares Jahr kommt. Auch in Schwan-
gestalt fliegen sie aus. Sie rufen den Jüngling auf, in welchem
der Heldengeist noch schlummert; sie schweben in Schlacht und
Seesturm über ihren Günstlingen. Den Nornen sind sie verwandt.
Die jüngste Norne Skuld (Zukunft) trägt selbst den Schild an
der Spitze der Walküren da, wo deren Ausritt den Göttern
Unheil bedeutet; andererseits weben auch die Walküren das Schick¬
sal. Am Tag der Schlacht sieht man sie gepanzert einem Hügel
zureiten, bei dem sie verschwinden; aber durch eine Dffnung des-