Full text: [Teil 5 = Klasse 2 und 1, [Schülerband]] (Teil 5 = Klasse 2 und 1, [Schülerband])

198 44. Soziale Arbeit — eine Lebensaufgabe unserer Zeit. 
Im Schiff, das keck entgegen jedem Winde 
Ihr Dämon treibt, durchfliegt sie pfeilgeschwinde 
Zum fremden Küstenland die Bahn; 
Stolz flattert wie ein Busch von schwarzen Federn 
Der Rauch am Mast, und grollend in den Nädern 
Knirscht der bezwungne Ozean. 
So erklingt das Hohelied von der Macht des Menschen über die 
Natur, seiner physischen und geistigen Herrschaft über sie. Und so wird 
es noch lange forttönen; denn wir stehen auch heute nicht am Ende, 
sondern immer noch erst am Beginn dieser Herrschaft. 
2. Aber mit all diesen Siegen, mit unserer steigenden technischen und 
intellektuellen Beherrschung all der stummen Mächte und Kräfte, die 
einst uns beherrschten, ist der eigentliche Kern menschlichen Lebens, 
das, was uns erst zu Menschen macht, noch gar nicht berührt. Wir 
könnten es in dieser Beherrschung zur Vollkommenheit bringen und doch 
dem weltenfern bleiben, was unseres Menschentums eigentliches Ziel 
ist. An das Gewissen unseres Geschlechts schlägt lauter und lauter 
das Mahnwort, in das unser innerlichster Dichter das tiefste Wesen 
menschlichen Daseins gekleidet hat: 
Edel sei der Mensch, 
Hilfreich und gut! 
Denn das allein 
Unterscheidet ihn 
Von allen Wesen, die wir kennen. 
Und erst aus diesem tiefsten Kern menschlichen Wesens heraus ver¬ 
mag der Mensch das Unmögliche: dem Augenblick Dauer zu verleihen, 
den flüchtigsten Zeitmoment in den Dienst eines ewig Fortwirkenden 
zu stellen. ! 1 ! ! I|:'H' l! 
Es gibt keinen innerlich lebenden Menschen, den die Schönheit 
und Tiefe dieses Gedankens nicht packte, den seine Wahrheit nicht er¬ 
füllte. Und gerade die Jugend, die sich so willig für alles Große und 
Gute begeistern läßt, wird sich gern von der Gewalt dieser Gedanken 
emportragen lassen. 
Aber es ist ein anderes, sich willig ihrem Zauber hingeben, ein 
anderes, sie auf die Handlungen des täglichen Lebens übertragen. Und 
wieder ist es die Jugend, die am häufigsten zu erfahren hat, daß 
„andächtig schwärmen leichter als gut handeln" ist. 
Gerade sie. Und warum? Weil sie der Größe der Gedanken gern
	        
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