Greif, Gewitterhymnus.
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16 Aber die Schwüle wächst!
Nicht entweicht die erstickende Glut
Von der Erde mehr,
Deren fiebernde Brust
Tiefe Quellen läßt versiegen.
20 Nicht belebt ein Hauch die Luft der Höhe.
Nächtens entbehrt des Taus das Gefilde
Und am Tag der streichenden Kühle.
Flamme ist der Sonne Rund,
Qualm umgibt den Mond,
26 Und, im Glanz erhöht,
Unstet zittern die Sterne.
Schlaff am Baume hängt das trockene Laub;
Stumm im Dickicht spreitet sich der matte Vogel;
Hingestreckt um den ruhenden Hirten
so Liegt die geduldige Herde.
Doch er selbst verwünscht den sengenden Strahl,
Und er sehnt sich, lechzender stets,
Nach erlösender Sturmnacht.
„Komm, o Regen, komme!"
35 Also ruft er stündlich flehend,
Aber fort und fort vergebens.
Da, am späten Mittag endlich
Rollt es — horch! — in der schwülen Ferne
Und nach langer Stille nochmals,
40 Dumpf, doch wohl vernehmlich weithin,
Und wie er aufblickt staunend,
Steht die Wolkenwand schon da,
Finster getürmt,
Und sie wächst mit riesiger Eile.
40 Jetzt mit einem Male dröhnt,
Wie von ehernem Amboß aufgeschnellt,
Hart der geschwungene Donnerkeil.
Und ein mächtiger Windstoß
Trägt daher das schwarze Gewölke.
50 Alles beugt sich vor seinem Odem:
Gräser, Äste und Kronen,
Und die lebenden Wesen flüchten angstvoll
Nach der bergenden Stätte.
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