Full text: [Teil 5 = Klasse 2 und 1, [Schülerband]] (Teil 5 = Klasse 2 und 1, [Schülerband])

Droste-Hülshoff. Mondesaufgang. 
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5. Da, auf die Wellen sank ein Silberflor, 
Und langsam stiegst du, frommes Licht, empor; 
Der Alpen finstre Stirnen strichst du leise, 
Und aus den Richtern wurden sanfte Greise, 
Der Wellen Zucken ward ein lächelnd Winken, 
An jedem Zweige sah ich Tropfen blinken, 
Und jeder Tropfen schien ein Kämmerlein, 
Drin flimmerte der Heimatlampe Schein. 
6. O Mond, du bist mir wie ein später Freund, 
Der seine Jugend dem Verarmten eint, 
Um seine sterbenden Erinnerungen 
Des Lebens zarten Widerschein geschlungen, 
Bist keine Sonne, die entzückt und blendet, 
In Feuerströmen lebt, in Blute endet, — 
Bist, was dem kranken Sänger sein Gedicht, 
Ein fremdes, aber o ein mildes Licht! 
265. Aus „des alten Pfarrers Woche". 
(Samstag.) 
1. Wie funkeln hell die Sterne, 
Wie dunkel scheint der Grund, 
Und aus des Teiches Spiegel 
Steigt dort der Mond am Hügel 
Grad' um die elfte Stund'. 
2. Da hebt vom Predigthefte 
Der müde Pfarrer sich; 
Wohl war er unverdrossen, 
Und endlich ist's geschlossen 
Mit langem Federstrich. 
3. Nun öffnet er das Fenster; 
Er trinkt den milden Duft 
Und spricht: „Wer sollt' es sagen? 
Noch Schnee vor wenig Tagen, 
Und dies ist Maienluft." 
4. Die strahlende Rotunde 
Sein ernster Blick durchspüht; 
Schon will der Himmelswagen 
Die Deichsel abwärts tragen: 
„Ja, ja, es ist schon spät!" 
5. Und als dies Wort gesprochen, 
Es fällt dem Pfarrer auf, 
Als müsst er eben deuten 
Auf sich der ganz zerstreuten, 
Arglosen Rede Lauf. 
6. Nie schien er sich so hager, 
Nie fühlt' er sich so alt, 
Als seit er heut' begraben 
Den langen Moritz Raben. 
Den Förster dort vom Wald.
	        
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