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des in der Waldeinsamkeit ausgewachsenen Jünglings aufge¬
schlossen: er meinte, ein jeder dieser Ritter wäre Gott. Jetzt
ist kein Halten mehr; er mutz hinaus, hinaus aus dem grünen,
stillen Dunkel seines Waldhauses, hinaus aus den zärtlichen Armen
der treuen Mutter, hinaus in die glänzende Ritterwell zu freudigem
Ritte durch alle Lande, zu freudigem Kampf und ruhmvollem
Siege, — hinaus an König Artus' Hof, zu der Blüte aller
Ritterschaft. Und die Mutter, die des Sohnes Wanderlust nicht
besiegen kann, lätzt ihm ein Gewand anlegen zur Fahrt, — doch
nicht eines Ritters, sondern eines Toren Gewand, aus Sacktuch
und Kälberfell genäht. Und so reitet der in sich noch Versunkene,
der Unerfahrene, der das stille Heimatgefühl und den dunkeln,
aber mächtigen Trieb in die Ferne und Fremde noch ungeschieden
in sich trägt, — ein Zustand, den die alte Sprache sehr be¬
zeichnend durch das einzige Wort tumb ausdrückt, während unser
dumm zu einer engeren und niederen Bedeutung hecabgesunken
ist, so datz wir uns nur durch mühselige Umschreibung helfen
können, — so zieht er denn dahin, um der Welt als ein Tor zu
erscheinen, wie die meisten wahrhaft tiefen deutschen Gemüter bei
ihrem ersten Auftreten in der Welt als Toren sich darstellen.
Und dieses Helldunkel bleibt über Parzivals ganzes Leben ge¬
breitet, das Helldunkel, welches überall stattfindet, wo Tiefe der
Empfindung und äutzere Beschränkung gegenübergestellt wird einer
weiten Aussicht in eine Welt voll Pracht und Farbenglanz, voll
von Ereignissen und Taten. Daher die öfter wiederkehrende Be¬
zeichnung des in heller Unschuld mitten in die Welt der Wirren
und Wunder hineintretenden jungen Helden; 6er tumbe elure, 6er
liehtgemäle, daher die Schilderung, datz er sei rein wie die Taube
und mild wie Rebentraube; — wir haben hier ein tief deutsches
Zünglingsgemüt, voll Unschuld, und doch voll Tatenlust, voll
Heimatgefühl und doch voll Wandersehnsucht, das die Augen
der nächsten Umgebung verschlietzt, aber fast träumend, halb sehn¬
süchtig und halb wehmütig-ängstlich hinausschaut nach den fernen
blauen Bergen, nach fremden blühenden Gefilden, wo alles neu
und fremd und wunderbar und doch bekannt und heimatlich und
traulich ist.
Der treuen Mutter bricht der Abschied von dem Sohn das
Herz; sie kützt ihn und läuft ihm nach; als er aber ihren Blicken