Full text: [Teil 5 = Achtes und neuntes Schuljahr, [Schülerband]] (Teil 5 = Achtes und neuntes Schuljahr, [Schülerband])

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Sterne. Mit Recht aber tonnen wir diese Leute auf England ver¬ 
weisen, zu dessen Nebeln sich die unserigen verhalten, wie zarte 
Schleier zur Sackleinwand, — mit Gleichmut hüllen wir uns eine 
Zeitlang in unsere Rhein- und Donaunebel und denken, „die 
Sonne sieht nachher wieder um so schöner aus". Ein stets blauer 
Himmel, eine ewig blitzende Sonne, wie in Spanien, — kein Deut¬ 
scher könnte sie ertragen. Wir haben durchaus die Poesie der 
Wolken nötig, in welche sich unser Firmament bald so, bald so, 
alle Tage mit einem anderen Kostüm vermummt, ohne doch, wie 
im Lande der Hyperboräer, für immer in eine Nebelkappe gehüllt, 
gleich einem mürrischen Greise dazusitzen. 
Der schroffe, unzugängliche Engländer hat auf seiner rund 
vom Meere umwogten Insel außer sich selbst keinen einzigen Nach¬ 
bar. Der Franzose hat nur zweierlei Nachbarn, romanische und 
deutsche. Wir Deutschen aber haben fast alle Europäer zu Nach¬ 
barn, germanische, romanische, slawische aller Art. Mit den Slawen 
im Osten, mit den Russen, Polen, Böhmen, Serben, Kroaten, 
— ja wer nennt diese Rassen alle! — sind und waren wir in 
Freundschaft und Feindschaft vermischt. Die Italiener haben, wenn 
auch ohne Neigung, in unsere Gemeinschaft treten müssen; mit 
den Franzosen im Westen haben wir, leider! nur zu sehr frater¬ 
nisiert, bis das Maß ihrer Eitelkeit und Überhebung voll wurde 
und deutsche Kraft und Einigkeit sie in ihre Grenzen zurückwies. 
Im Norden haben wir stammverwandte germanische Stämme, die 
nun, nachdenl Deutschland wieder ein mächtiges Reich geworden 
ist, auch sich um seine Freundschaft bewerben müssen. Wir haben 
daher Gelegenheit, alle europäischen Nationen ganz aus der Nähe 
zu beobachten und das Gute von ihnen anzunehmen. Wir rühmen 
uns aber zugleich auch allen Nationen gegenüber irgendeiner guten 
Eigenschaft, die sie nicht haben. Dem englischen Stolz setzen wir 
Duldsamkeit entgegen, dem französischen Leichtsinn gegenüber 
rühmen wir uns der langsamen Bedächtigkeit und ruhiger Be¬ 
sonnenheit, wie der französischen Flunkerei gegenüber der Ehrlich¬ 
keit und Solidität; — der italienischen glühenden Rach- und Eifer¬ 
sucht gegenüber zeigen wir Versöhnlichkeit und Ruhe, und dem sla¬ 
wischen gewalttätigen Despotismus Nechtssinn und Treue. 
Alle religiösen und politischen Systeme Europas ragen mit 
ihren äußersten Zipfeln unb Ausläufern in Deutschland herein,
	        
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