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17. Aus Goethes Jugend.
Am 28. August 1749, mittags mit dem Glockenschlag zwölf,
kam ich in Frankfurt am Main auf die Welt.
Wenn man sich erinnern will, was uns in der frühesten Zeit
der Jugend begegnet ist, so kommt man oft in den Fall, das¬
jenige, was wir von anderen gehört, mit dem zu verwechseln, was
wir wirklich aus eigener anschauender Erfahrung besitzen. Ohne
also hierüber eine genaue Untersuchung anzustellen, welche ohnehin
zu nichts führen kann, bin ich mir bewußt, daß wir in einem alten
Hause wohnten, welches eigentlich aus zwei durchgebrochenen
Häusern bestand. Eine turmartige Treppe führte zu unzusammen¬
hängenden Zimmern, und die Ungleichheit der Stockwerke war
durch Stufen ausgeglichen. Für uns Kinder, eine jüngere Schwester
und mich, war der untere weitläufige Hausflur der liebste
Raum, der neben der Tür ein großes, hölzernes Gitterwerk hatte,
wodurch man unmittelbar mit der Straße und der freien Luft
in Verbindung kam. Einen solchen Vogelbauer, mit dem viele
Häuser versehen waren, nannte man ein Eeräms. Die Frauen
saßen darin, um zu nähen und zu stricken; die Köchin las ihren
Salat; die Nachbarinnen besprachen sich von daher miteinander,
und die Straßen gewannen dadurch in der guten Jahreszeit ein süd¬
liches Ansehen. Man fühlte sich frei, indem man mit dem Öffent¬
lichen vertraut war. So kamen auch durch diese Gerämse die
Kinder mit den Nachbarn in Verbindung, und mich gewannen drei
gegenüber wohnende Brüder von Ochsenstein, hinterlassene Söhne
des verstorbenen Schultheißen, gar lieb und beschäftigten und neckten
sich mit mir auf mancherlei Weise.
Die Meinigen erzählten gern allerlei Eulenspiegeleien, zu denen
mich jene sonst ernste und einsame Männer angereizt. Ich führe
nur einen von diesen Streichen an. Es war eben Topfmarkt ge¬
wesen, und man hatte nicht allein die Küche für die nächste Zeit
mit solchen Waren versorgt, sondern auch uns Kindern dergleichen
Geschirr im kleinen zu spielender Beschäftigung eingekauft. An
einem schönen Nachmittag, da alles ruhig im Hause war, trieb ich
im Geräms mit meinen Schüsseln und Töpfen mein Wesen, und
da weiter nichts dabei herauskommen wollte, warf ich ein Geschirr