Full text: [Abteilung 2 = Klasse 3 und 2 (Achtes und neuntes Schuljahr), [Schülerband]] (Abteilung 2 = Klasse 3 und 2 (Achtes und neuntes Schuljahr), [Schülerband])

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auf die Straße und freute mich, daß es so lustig zerbrach. Die 
von Ochfenstein, welche sahen, wie ich mich daran ergötzte, daß 
ich sogar fröhlich in die Händchen patschte, riefen: „Noch mehr!" 
Ich säumte nicht, sogleich einen Topf und aus immer fortwährendes 
Rufen: „Noch mehr!" nach und nach sämtliche Schüsselchen, Tiegel¬ 
chen, Männchen gegen das Pflaster zu schleudern. Meine Nachbarn 
fuhren fort, ihren Beifall zu bezeigen, und ich war höchlich froh, 
ihnen Vergnügen zu machen. Mein Vorrat aber war aufgezehrt, 
und sie riefen immer: „Noch mehr!" Ich eilte daher stracks in 
die Küche und holte die irdenen Teller, welche nun freilich im Zer¬ 
brechen noch ein lustigeres Schauspiel gaben; und so lief ich hin 
und wieder, brachte einen Teller nach dem anderen, wie ich sie 
auf dem Topfbrett der Reihe nach erreichen konnte, und weil sich 
jene gar nicht zufrieden gaben, so stürzte ich alles, was ich von 
Geschirr erschleppen konnte, in gleiches Verderben. Nur später 
erschien jemand, zu hindern und zu wehren. Das Unglück war 
geschehen, und man hatte für so viel zerbrochene Töpferware 
wenigstens eine lustige Geschichte, an der sich besonders die 
schalkischen Urheber bis an ihr Lebensende ergötzten. 
Meines Vaters Mutter, bei der wir eigentlich im Hause 
wohnten, lebte in einem großen Zimmer hinten hinaus, unmittelbar 
an dem Hausflur, und wir pflegten unsere Spiele bis an ihren 
Sessel, ja, wenn sie krank war, bis an ihr Bett hin auszudehnen. 
Ich erinnere mich ihrer gleichsam als eines Geistes, als einer schönen, 
hageren, immer weiß und reinlich gekleideten Frau. Sanft, freund¬ 
lich, wohlwollend ist sie mir im Gedächtnis geblieben. 
Wir hatten die Straße, in der unser Haus lag, den Hirsch- 
graben nennen hören; da wir aber weder Graben noch Hirsche 
sahen, so wollten wir diesen Ausdruck erklärt wissen. Man erzählte 
sodann, unser Haus stehe auf einem Raum, der sonst außerhalb 
der Stadt gelegen, und da, wo jetzt die Straße sich befinde, sei 
ehemals ein Graben gewesen, in welchem eine Anzahl Hirsche unter¬ 
halten worden; man habe diese Tiere hier aufbewahrt und ge¬ 
nährt, weil nach einem alten Herkommen der Senat alle Jahre 
einen Hirsch öffentlich verspeiset, den man denn für einen solchen 
Festtag hier im Graben immer zur Hand gehabt, wenn auch aus¬ 
wärts Fürsten und Ritter der Stadt ihre Iagdbefugnis ver¬ 
kümmerten und störten, oder wohl gar Feinde die Stadt ein-
	        
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