Full text: Lesebuch zur Einführung in die deutsche Litteratur (Teil 6, [Schülerband])

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Sache des Zahnbrechers Anteil genommen, so lange, bis sie dafür 
gebührenden Abtrag gethan haben werden, von den Wohlthaten, die 
der Tempel Jasons alle Monate den armen Bürgern zufließen läßt, 
ausgeschlossen sein und bleiben sollen." 
Eiriurr-zwanzigstes Kapitel. 
Dichtervereine. 
Überall im deutschen Lande, namentlich aber in den Universitäts¬ 
städten, wo die wissenschaftlich gebildeten und poetisch angeregten jungen 
Männer sich zusammenfanden, regte sich der aufstrebende Geist des neuen 
Jahrhunderts. Die Gleichgesinnten schlossen sich zusammen, um sich über 
das Wesen der Kunst zu verständigen und zu dichterischem Schaffen an¬ 
zuregen. 
I. In Halle bildete sich ein solcher Dichterverein, welcher besonders 
das Vorbild Hagedorns befolgte. Der heitere Lebensgenuß, wie er auch 
schon von den Alten (Anakreon und Horaz) besungen worden war, wurde 
von ihnen als die Quelle menschlichen Glücks dargestellt. Ihre Hoffnungen 
für die Zukunft knüpften sie an den preußischen König Friedrich den 
Großen; darum nannte man sie auch den preußischen Dichterverein. 
An ihrer Spitze steht Joh. Wilh. Ludwig Gleim (geb. 1719 
zu Ermsleben bei Aschersleben, studierte in Halle die Rechte und starb 
1803 zu Halberstadt als Sekretär des Domkapitels). Seine Dichtungen, 
so zahlreich sie sind, hatten zwar keinen hervorragenden Wert; aber die 
Unermüdlichkeit seiner Anregungen und die Lebhaftigkeit seiner Begeisterung 
für alles Neue wirkten weithin befruchtend. Sein gastliches Haus war 
die Zufluchtsstätte für die jüngeren Genossen, und seine Bereitwilligkeit, 
mit Rat und That zu helfen, wurde vielfach mißbraucht; „Vater Gleim" 
war der Ehrenname, mit welchem man seine Güte überall pries. 
Das bedeutendste poetische Talent dieses Freundeskreises war der 
1715 zu Cöslin in Hinterpommern geborene Ewald Christian 
von Kleist. Auch er hatte die Rechte studiert, war dann in das Heer 
getreten und hatte sich durch Tapferkeit und Tüchtigkeit ausgezeichnet. 
1757 war er als Major mit der Aufsicht über das große Lazarett in 
Leipzig betraut worden; daselbst trat er in freundschaftlichen Verkehr mit 
Lessing (Major von Tellheim). In der Schlacht bei Kunersdorf wurde 
er auf den Tod verwundet und starb (am 24. August 1759) in Frank¬ 
furt a. d. Oder. 1861 wurde ihm daselbst ein Denkmal errichtet. 
Das ernste Wesen des Mannes spricht sich in seinen Dichtungen, 
namentlich in den Fabeln und Idyllen aus. Sein Hauptwerk ist sein 
beschreibendes Gedicht, der „Frühling"; es ist in Hexametern verfaßt; sein
	        
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