Full text: [Teil 4, [Schülerband]] (Teil 4, [Schülerband])

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Darstellungen aus Geschichte und Kulturgeschichte. 
selbst von allen gesehen werden. Hier blieb er, während die Messe gehalten 
wurde, dann stieg er vom Throne herab und kehrte zur Pfalz Karls des Großen 
zurück. 
In der Pfalz war inzwischen an marmorner Tafel das Königsmahl mit 
auserlesener Pracht bereitet. Mit den Bischöfen und Herren setzte sich der neue 
König zu Tische und es dienten ihm beim Krönungsmahle die Herzoge der deut¬ 
schen Länder. So ist es damals zuerst geschehen und oft dann in der Folge; 
es war ein Zeichen, daß die Herzoge der einzelnen Länder den König, der 
über das ganze Volk gefetzt war, als ihren Herrn erkannten, daß sie nichts 
anderes fein sollten und wollten als die Ersten seines Gefolges. Denn wie an 
dem Hofhält der deutschen Fürsten von alters her die Mächtigsten und An¬ 
gesehensten unter den Gefolgsgenossen als Mundschenk, Kämmerer, Truchseß und 
Marschall die Person der Fürsten umgaben und ihrer warteten, so leistete da¬ 
mals der Lothringerherzog Giselbert, in dessen Gebiet Aachen lag, die Dienste 
des Kämmerers und ordnete die ganze Feier, der Frankenherzog Eberhard sorgte 
als Truchseß für die Tafel, der Schwabenherzog Hermann stand als oberster 
Mundschenk den Schenken vor und Arnulf von Bayern nahm für die Ritter 
und ihre Pferde als Marfchall Bedacht, wie er auch die Stellen bezeichnet hatte, 
wo man lagern und die Zelte aufschlagen konnte. Denn die alte Kaiserstadt 
reichte nicht aus die Zahl aller der Herren, die nach Aachen geritten waren, in sich 
zu fassen. Als die Festlichkeiten beendet waren, lohnte Otto einem jeden der 
Großen mit reichlicher Gunst und großen Geschenken und froh kehrten alle in 
die Heimat zurück. 
Ein solches Fest hatten die deutschen Völker nie bisher gesehen und nie 
ist eine Krönungsfeier von gleicher Bedeutung wieder begangen. Sie gab dem 
Baue, den König Heinrichs Taten begründet hatten, die Weihe. Die Vereinigung 
aller deutschen Stämme unter ein Haupt fand hier ihren öffentlichen Ausdruck; man 
beging gleichsam das Fest der Gründung des neuen Reichs. Die Herrschaft, 
welche die Nachkommen Karls des Großen über die deutschen Lande geübt hatten, 
war gebrochen und vernichtet; es hatte eine neue Ordnung der Dinge begonnen, 
als sich die Großen aus allen deutschen Gauen freiwillig einem Herrscher beugten, 
der dem sächsischen, jenem reinsten deutschen Stamme entsprossen war, der zuletzt 
die alte Freiheit der Väter verteidigt hatte. Die Krone der Franken mit ihrem 
verblichenen Scheine hatte König Heinrich verschmäht; erst durch seine Taten ge¬ 
wann sie frischen Glanz und strahlend empfing sie jetzt als Deutschlands Krone 
sein Sohn in der Kaiserstadt Karls des Großen aus Priestershand. Es war 
keine leere Förmlichkeit, wenn die Fürsten, die einst seinen Vater als ihren 
Lehnsherrn anerkannt hatten, jetzt ihm Dienste leisteten, wie sie selbst von ihren 
Mannen empfingen. Das Königtum war schon mehr als eine Vorstandschaft 
des sächsischen Herzogs und Otto ganz der Mann um jedes Recht aufzunehmen, 
das nur je ein König in deutschen Landen besessen hatte. Erscheint Heinrich 
fast noch mehr als Sachsenfürst denn als König der Deutschen, so war Otto,
	        
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