Full text: [Theil 4 = (Tertia), [Schülerband]] (Theil 4 = (Tertia), [Schülerband])

160 C. Darstellungen aus der Natur. 
Wiesen der Sargasien*), die langsam dahingleitenden Bauminseln, den 
Vögeln einen ersehnten Ruhepunkt gewährend und die Tiere des Meeres 
einladend, sich zu sonnen am Strahle der Königin des Tages. 
Doch dieser bunte Pflanzenteppich, der sich, wie wir gesehen haben, 
über die ganze Erde ausbreitet, ist nicht überall gleich. Am dichtesten 
ist er unter dem Äquator, wo vom ewig blauen Himmel die glühenden 
Strahlen der Sonne den feuchten, lebenskräftigen Boden erwärmen. Dort 
erreicht das Pflanzenleben die höchste Stufe der Entwicklung. Dort 
herrscht eine unendliche Mannigfaltigkeit der Formen. Auf dem kleinsten 
Raume findet man eine Anzahl der verschiedensten Arten. 
Nur selten ermüden gesellig lebende Pflanzen mit ihrem ewigen 
Einerlei das Auge des Reisenden. Je weiter wir aber nach den Polen 
hinkommen, desto einfacher wird die Vegetation. Die Zahl der Arten 
nimmt immer mehr und mehr ab, und dafür treten die einzelnen 
Individuen in größerer Menge auf, so daß sie, wie die genügsame Heide 
und die immergrünen Nadelhölzer, z. B. im Lüneburgischen, weite 
Strecken überziehen. Während wir in Frankreich 7200 verschiedene 
Pflanzenarten kennen, zählt Deutschland nur 7000, Lappland 
1090 und Spitzbergen sogar nicht viel über 200. 
Sehen wir von den Tangarten des Meeres ab, so finden wir, daß 
auch die Größe der Form, die Mächtigkeit des Wuchses vom Äquator 
nach den Polen hin stetig abnimmt. Dort finden wir den mächtigen 
Baobab mit seiner 46,7 in Durchmesser haltenden, domartigen Krone, 
dessen ausgehöhlter Stamm völlig genügt, einer ganzen Negerfamilie 
Wohnung zu gewähren; dort steht der Stamm des Käsebaums, welchen 
fünfzehn Männer kaum zu umspannen vermögen, und der hinreichend 
Material liefert, um vier Kanots**) daraus zu bauen; ferner der kolossale 
Mammutbaum, an Höhe die stolzesten menschlichen Bauten übertreffend 
und dick genug, daß der geebnete Rumpf als Boden eines Tanzsalons 
dienen kann. Mußten doch fünf Männer drei Wochen hindurch arbeiten, 
um einen dieser Riesen zu fällen. Dazu kommen die lieblichen Palmen, 
deren zarte Kronen, auf schlankem Stamme zu schwindelnder Höhe empor¬ 
steigend, „einen Wald über dem Walde bilden". 
Weisen auch die mittleren und nördlichen Teile der gemäßigten 
Zone noch Baumriesen auf, wie den gewaltigen Eichbaum Europas zu 
Saintes von 17,5 in Höhe, in dessen Innern ein 3,5 breites und 
2,6 in hohes, durch ein Fenster erleuchtetes Stübchen hergestellt ist, die 
ehrwürdige Linde bei Neustadt in Württemberg, deren von Säulen ge¬ 
stützte Krone einen Raum von 116,8 in bedeckt, und deren Stamn: 
11,1 in Umfang hat, und den Eichbaum in der Grafschaft Bork von 
17,5 in Umfang, so sind doch dies nur vereinzelte Ausnahmen. Je 
weiter wir nach dem Pole vorgehen, desto geringer wird die Masicn- 
entwicklung der Vegetation. Statt der Laubwälder finden wir bald 
nur noch unermeßliche, düstere Nadelholzwälder, die zwar auch noch 
manchen stattlichen Baum beherbergen, aber keinen Vergleich aushalten 
mit den mächtigen Formen des tropischen Urwaldes. Gehen wir noch 
*) Beerentang; mehrere m lange, an Felsen festgewachsene oder frei schwimmende 
Tange. **) Baumkahn der Indianer.
	        
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