Full text: [Theil 4 = (Tertia), [Schülerband]] (Theil 4 = (Tertia), [Schülerband])

274 Epische Poesie. Krum mach er: Der Sturmvogel und die Schiffenden. 
63. Der Sturmvogel und die Schiffenden. 
Friedrich Adolf Krummacher, geb. den 13. Juli 1767 zu Tecklenburg in West¬ 
falen, Prediger in Barmen, gest. daselbst den 4. April 1845. 
Ein Schiff durchschnitt des Meeres blaue Bahn; 
Das Segel schwoll, die Wellen spielten 
Sanft rauschend um den Kiel, Delphine wühlten 
Und wälzten scherzend sich im Ozean. 
Vom fernen Eiland trugen sanfte Lüfte 
Des Zimmetwaldes Düfte. 
Das Schiffsvolk lag im milden Sonnenschein, 
Und vom Verdeck ertönten Zubellieder, 
Vermischt mit lautem Scherz, zürn frohen Wein, 
Und leiser plätscherten die Wogen. 
Da kam ein Sturmfink hergeflogen 
Und ließ sich auf das Steuer nieder. 
Den Unglücksvogel sah der Steuermann. „Fürwahr, 
Du Freudenstörer," hob er an, 
„Du konntest nie uns ungeleg'ner kommen; 
Doch soll dir dein Prophetenamt nicht frommen. 
Dir selbst verkünde die Gefahr!" 
Er sprach's, ergriff die Büchse, traf 
Des Vogels Brust; er fiel. Doch eh des Todes Schlaf 
Sein Aug' umschloß, erscholl aus seinem Munde 
Der ernste Spruch: „Zhr wähnet im Propheten 
Der Wahrheit heil'ge Kraft zu töten; 
Umsonst! Es naht die ernste Stunde, 
Und euer Sträuben hemmt sie nicht. 
Dann wird ihr Wort zum Sturm, ihr stilles Licht 
Wird sich zu Feuerflammen röten!" 
Er sprach's; da floß sein Leben aus der Wunde. 
Gewölk stieg auf, hoch schwoll im Sturm die Flut; 
Der Blitz zerriß den Mast, es scholl Gewimmer; 
Des Ozeans empörte Wut 
Verschlang des Schiffes Trümmer. 
64. Die Kreuzschau. 
1. Der Pilger, der die Höhen überstiegen, 
Sah jenseits schon das ausgespannte Thal 
Zn Abendglut vor seinen Füßen liegen. 
2. Auf duft'ges Gras, im milden Sonnenstrahl 
Streckt' er ermattet sich zur Ruhe nieder. 
Indem er seinem Schöpfer sich befahl. 
3. Zhm fielen zu die matten Augenlider; 
Doch seinen wachen Geist enthob ein Traum 
Der ird'schen Hülle seiner trägen Glieder.
	        
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