Full text: [Theil 4 = (Tertia), [Schülerband]] (Theil 4 = (Tertia), [Schülerband])

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B. Lyrische Poesie. 
Rührei sie nicht fremder Schmerz; 
Doch der Menschheit Angst und 
Wehen 
Fühlet mein gequältes Herz. 
7. Daß der Mensch zum Menschen 
werde, 
Stift' er einen ew'gen Bund 
Gläubig mit der frommen Erde, 
Seinem mütterlichen Grund, 
Ehre das Gesetz der Zeiten 
Und der Monde heil'gen Gang, 
Welche still gemessen schreiten 
Im melodischen Gesang!" 
8. Und den Nebel teilt sie leise. 
Der den Blicken sie verhüllt; 
Plötzlich in der Wilden Kreise 
Steht sie da, ein Götterbild. 
Schwelgend bei dem Siegesmahle 
Findet sie die rohe Schar, 
Und die blutgefüllte Schale 
Bringt man ihr zum Opfer dar. 
9. Aber schaudernd, mit Entsetzen 
Wendet sie sich weg und spricht: 
„Blut'ge Tigermahle netzen 
Eines Gottes Lippen nicht. 
Reine Opfer will er haben, 
Früchte, die der Herbst beschert. 
Mit des Feldes frommen Gaben 
Wird der Heilige verehrt." 
10. Und sie nimmt die Wucht des 
Speeres 
Aus des Jägers rauher Hand; 
Mit dem Schaft des Mordgewehres 
Furchet sie den leichten Sand, 
Nimmt von ihres Kranzes Spitze 
Einen Kern, mit Kraft gefüllt. 
Senkt ihn in die zarte Ritze, 
Und der Trieb des Keimes schwillt. 
11. Und mit grünen Halmen 
schmücket 
Sich der Boden alsobald. 
Und soweit das Auge blicket, 
Wogt es wie ein goldner Wald. 
Lächelnd segnet sie die Erde, 
Flicht der ersten Garbe Bund, 
Wählt den Feldstein sich zum Herde, 
Und es spricht der Göttin Mund:, 
12. „Vater Zeus, der über alle 
Götter herrscht in Äthers Höhn, 
Daß dies Opfer dir gefalle. 
Laß ein Zeichen jetzt geschehn! 
Und dem unglücksel'gen Volke, 
Das dich. Hoher, noch nicht nennt. 
Nimm hinweg des Auges Wolke, 
Daß es seinen Gott erkennt!" 
13. Und es hört der Schwester 
Flehen 
Zeus auf seinem hohen Sitz; 
Donnernd aus den blauen Höhen 
Wirft er den gezackten Blitz. 
Prasselnd fängt es an zu lohen. 
Hebt sich wirbelnd vom Altar, 
Und darüber schwebt in hohen 
Kreisen sein geschwinder Aar. 
14. Und gerührt zu der Herrscherin 
Füßen 
Stürzt sich der Menge freudig Gewühl, 
Und die rohen Seelen zerlließen 
In der Menschlichkeit erstem Gefühl, 
Werfen von sich die blutige Wehre, 
Öffnen den düster gebundenen Sinn 
Und empfangen die göttliche Lehre 
Aus dem Munde der Königin. 
15. Und von ihren Thronen steigen 
Alle Himmlischen herab, 
Themis selber führt den Neigen 
Und mit dem gerechten Stab 
Mißt sie jedem seine Rechte, 
Setzet selbst der Grenze Stein 
Und des Styx verborgne Mächte 
Ladet sie zu Zeugen ein. 
16. Und es kommt der Gott der Effe, 
Zeus' erfindungsreicher Sohn, 
Bildner künstlicher Gefäße, 
Hochgelehrt in Erz und Thon. 
Und er lehrt die Kunst der Zange 
Und der Blasebälge Zug; 
Unter seines Hammers Zwange 
Bildet sich zuerst der Pflug. 
17. Und Minerva, hoch vor allen 
Ragend mit gewicht'gem Speer, 
Läßt die Stimme mächtig schallen 
Und gebeut dem Götterheer. 
Feste Mauern will sie gründen.
	        
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