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Einfluß. Ruht eine höhere lenkende Hand über dem Ganzen und sorgt diese
phalb nicht bloß für die Heimat des Vogels und für Nordafrika, sondern
nicht minder auch für die südlichen Gegenden dieses Weltteiles, so kann es
nns nicht mehr merkwürdig und unerklärlich erscheinen, warum unsere Polizei
auch dorthin gesandt wird. Mir will es erscheinen, als sei diese sonst schwer
preisliche Thatsache eine Naturnotwendigkeit und als solche schon allein für
iich vollkommen ausreichend, um einzusehen, daß das Tier nicht in seinem
eigenen Namen, sondern in höherem Aufträge handelt. Die Vögel also ver¬
teilen in ihrer Heimat wie in ihrem Winterquartier nicht bloß, um selbst satt
zu werden, sondern auch, um mit sicherer und gewichtiger Hand einzugreifen
111 das Getriebe der sich entfaltenden Natur; dazu ihre bewunderungswürdige
Verteilung nach Arten und Individuen, dazu ihr so äußerst verschiedener Auf¬
enthalt in den verschiedenen Jahreszeiten, dazu ihr Trieb, stets vereinzelt zu
ieben oder sich zeitweise zu ungeheuren Flügen zusammenzuscharen, dazu über¬
haupt ihre sämtlichen Lebensäußerungen. Wir sind vollkommen überzeugt davon,
daß unsere Luftreisenden, welche hunderte von Meilen weiter in das glühende
Afrika hineinziehen, als ihre eigene Erislenz es erheischt, dort ebenso notwendig
Und, als diejenigen Scharen, welche sich bei uns den Winter hindurch umher-
treiben, für unsere Gegend.
170. Tie Kreuzotter.
Nach E. A. RochnMer.
Keines Tieres Name ist so verrufen, wie der Name der Schlange. Alle
^elt haßt und meidet die Schlangen als die verächtlichsten Scheusale unter den
gieren. Eine einzige Art dieser in Deutschland sehr wenig vertretenen Tierklasse
W es, welche uns schon zittern macht, wenn es neben uns im Laube raschelt;
pn die einzige giftige Schlangenart in Deutschland ist die Kreuzotter. „Eine
Schlange! eine Schlange!" heißt es. Man nimmt Reißaus; denn die Schlange
könnte — stechen? Stechen? womit denn? „Nun, mit der zweispitzigen,
.zackenden Zunge." — Das ist ein höchst unschuldiges, weiches Tastwerkzeug,
^ie giftige Schlange sticht nicht, sondern beißt.
Von unsern vier deutschen Schlangenarten ist die Kreuzotter diejenige, welche
geringste Längenmaß erreicht. Das Männchen wird selten 7Oem, das
Weibchen höchstens 75cm lang, während alle übrigen Arten bis ziemlich 1,25m
^ng werden können, so daß schon dieses längste Maß irgend einer in Deutsch-
kand gefundenen Schlange für deren Unschädlichkeit spricht. Dabei ist sie aber
verhältnismäßig dicker und gedrungener und daher auch in ihren Bewegungen
etwas steifer, weit weniger die eleganten Ringe und Schlingen bildend, wie
"ie andern.
Die Grundfarbe ist sehr verschieden und teils nach dem Alter, teils nach
öeiu Geschlechte sehr veränderlich. Die allgemeine Färbung ist daher nicht aus¬
reichend, den Feind zu erkennen und von unschädlichen Schlangen zu unter¬
scheiden, deren zwei, die Ringelnatter und die glatte Natter, in der Grund-
larbe mit der Kreuzotter oft ziemlich übereinstimmen. Die Männchen sind im
^gemeinen Heller als die Weibchen: hellaschgrau, silberweiß oder gelblichweiß,
höchstens etwas ins Bräunliche ziehend. Die dunkleren Weibchen haben eine
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