178
VII. Kulturgeschichte und geschichtliche Schilderung.
Dieser willen Belustigung sah ich nicht lange zu, sondern eilte von meinem
hohen Standorte durch allerlei Treppchen und Gänge hinunter an die große
Römerstiege, wo die aus der Ferne angestaunte, so vornehme als herrliche Masse
Heraufwallen sollte. Das Gedränge war nicht groß, weil die Zugänge des Rat¬
hauses wohlbesetzt waren, und ich kam glücklich unmittelbar oben an das eiserne
Geländer. Nun stiegen die Hauptpersonen an mir vorüber, indem das Gefolge in
den unteren Gängen zurückblieb, und ich konnte sie auf der dreimal gebrochenen
Treppe von allen Seiten und zuletzt ganz in der Nähe betrachten.
Endlich kamen auch die beiden Majestäten herauf. Vater und Sohn waren
wie Menüchmen überein gekleidet. Des Kaisers Hausornat von purpurfarbener
Seide, mit Perlen und Steinen reich geziert, sowie Krone, Scepter und Reichs¬
apfel fielen wohl in die Augen; denn alles war neu daran und die Nachahmung
des Altertums geschmackvoll. So bewegte er sich auch in seinem Anzuge ganz
bequem, und sein treuherzig würdiges Gesicht gab zugleich den Kaiser und den
Vater zu erkennen. Der junge König hingegen schleppte sich in den ungeheuren
Gewandstücken mit den Kleinodien Karls des Großen wie in einer Verkleidung
einher, so daß er selbst, von Zeit zu Zeit seinen Vater ansehend, sich des Lächelns
nicht enthalten konnte. Die Krone, welche man sehr hatte füttern müssen, stand
wie ein übergreifendes Dach vom Kopfe ab. Die Dalmatika, die Stola, so gut sie
auch angepaßt und eingenäht worden, gewährte doch keineswegs ein vorteilhaftes
Aussehen. Scepter und Reichsapfel setzten in Verwunderung, aber man konnte sich
nicht leugnen, daß man lieber eine mächtige, dem Anzuge gewachsene Gestalt, um
der günstigeren Wirkung willen, damit bekleidet und ausgeschmückt gesehen hätte.
Kaum waren die Pforten des großen Saales hinter diesen Gestalten wieder
geschlossen, so eilte ich auf meinen vorigen Platz, der, von anderen bereits ein¬
genommen, nur mit einiger Not mir wieder zu teil wurde.
Es war eben die rechte Zeit, daß ich von meinem Fenster wieder Besitz nahm;
denn das Merkwürdigste, was öffentlich zu erblicken war, sollte eben vorgehen.
Alles Volk hatte sich gegen den Römer zu gewendet, und ein abermaliges Vivat¬
schreien gab uns zu erkennen, daß Kaiser und König an dem Balkonfenster des
großen Saales in ihrem Ornate sich dem Volke zeigten. Aber sie sollten nicht
allein zum Schauspiel dienen, sondern vor ihren Augen sollte ein seltsames Schau¬
spiel vorgehen.
Vor allen schwang sich nun der schone, schlanke Erbmarschall auf sein Roß;
er hatte das Schwert abgelegt, in seiner Rechten hielt er ein silbernes gehenkeltes
Gemäß und ein Streichblech in der Linken. So ritt er in den Schranken auf den
großen Haferhaufen zu, sprengte hinein, schöpfte das Gefäß übervoll, strich es ab
und trug es mit großem Anstande wieder zurück. Der kaiserliche Marstall war
nunmehr versorgt. Der Erbkümmerer ritt sodann gleichfalls auf jene Gegend zu
und brachte ein Handbecken nebst Gießfaß und Handquele zurück. Unterhaltender
aber für die Zuschauer war der Erbtruchseß, der ein Stück von dem gebratenen
Ochsen zu holen kam. Auch er ritt mit einer silbernen Schüssel durch die Schranken