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II. Idylle.
fahren, und seitdem konnte ich auch erst mit Vernunft tapfer sein, da mein Um¬
treiben im Felde nicht mehr ein toller Rausch und Tummel war, wie er die meisten
meiner Kameraden begeisterte. Vater Ziethen zeichnete mich auch bald aus, ich
war mit mir selbst zufrieden, und nun wurde ich es erst inne, daß dieses Gefühl
die Krone des Lebens sei. Dieses alles, meine ganze Moralität, habe ich diesem
Besuche bei unserm unsterblichen Gellert zu danken." L. Ti eck.
II.
5. Eine kanadische Farmerfamilie.
Wir fuhren durch ein großes Tor, an dessen Eingang zwei ungeheure Doggen
mit wütendem Gebell auf uus losfuhreu, soweit es ihre Ketten gestatteten. Wir
kamen in einen mit Kies bestreuten Hof, und der Wagen hielt vor der Eingangs¬
treppe eines alten, unregelmäßig gebauten Hauses. Nicht einmal die Fenster
zeigten jene Symmetrie, die heutzutage als unbedingtes Erfordernis gilt. Unsere
Vorfahren, die nach solchen Dingen nichts fragten, brachen die Fenster, wo sie die¬
selben für notwendig hielten.
Ein hochgewachsener Greis, in altfranzösischer Tracht, einen Dreispitz auf dem
Haupte, in kurzen Hosen und blau schinierten Strümpfen, kam, auf einen Krückstock
gestützt, auf mich zu. Mau glaubte, einen Franzosen der „guten alten Zeit" zu
sehen, dem nichts fehlte, als die Perücke a marteau von 1789; denn er trug selbst
das Jabot und die Berlocken von ehemals. Er lüftete den Hut zum Gruße, und
ich konnte einen Augenblick den vollen, von schneeweißen, ein wenig gelockten
Haaren umrahmten Kopf sehen. Nie erblickte ich einen so schönen Greis von solch
ehrwürdigem Aussehen.
„Seien Sie willkommen unter meinem Dach, mein Herr," sagte er, mir die
Hand hinstreckend; „und wenn der Zufall Sie schon früher einmal nach Val-Seeret
geführt hat, so entschuldigen Sie mein Gedächtnis, welches Ihre Züge und Ihren
Namen nicht finden kann."
Ich erklärte in kurzen Worten, wie ich in diesem schmutzigen Zustande, als ein
verlorener oder mindestens verirrter Mann seiner Enkelin Luise begegnete, und
diese mich dann in verbindlichster Weise in ihren Wagen aufnahm und versprach,
mich nach Quebec führen zu lassen.
„Das war wohlgetan, Luise!" rief der Greis; „aber der Gast, den du uns
gebracht, kann nicht zurückkehren, ohne daß er sich erfrischt und ausgeruht hat.
Besorge das, mein Kind."