Überblick der deutschen Lerskunst. 517
Schutz und Schirm, Stock und Stein, Dick und Dünn, Kurz und Klein, Bausch
und Bogen rc.
8 30. Da wir in unserer jetzigen Sprache einzelne Buchstaben im Anlaut
nicht mehr so hervorstechend hörbar aussprechen, so konnten die Versuche neuerer Dichter,
zu der Alliteration zurückzukehren, nicht gelingen, sie erscheinen vielmehr als bloße
Kunststücke. Vgl. Nr. 161. 181.
Roland der Ries', am
Rathaus zu Bremen
Stebt er im Standbild
Standhaft und wacht.
Rückert.
Weil im Weinberg
Wohnen zwei Schwestern:
Kühn zwei Klingen
Zwischen Klippen starren.
Wenn die Schwestern wohnen
Wirtlich an einem Herd,
Wenn die Klingen klirren
Kräftig in einer Hand.
Fouquö.
Friede dir, freudiger Frost der Nacht!
Blinkende, blanke Blume des Schnees!
Nördliche, nehmt nordische Töne,
Kräftigen Klang, kühn wie der Skalde! ^ ^
§ 31. Die bei den südeuropäischen Völkern (besonders bei den Spaniern) sehr
verbreitete Assonanz (Vokalreim, Halbreim) besteht in der Übereinstimmung der
Vokale der Stammsilben mehrerer Wörter. Die Assonanz ist besonders durch die
Dichter der romantischen Schule (am Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrh.) in
Deutschland verbreitet und am glücklichsten von Fr. Schlegel, Apel, Rückert,
P laten und C l. Brentanc gehandhabl worden. Vgl. Nr. 161. — Die Assonanz
ist zuweilen mit der Alliteration verbunden:
Wie säuseln, ach, so linde!
Mir in den Blüten,
Und lindern heiße Liebe
In küblen Düften.
Schlegel.
Fackeln irrten, Feuer brannten
In dem Walde um den Toten,
Weiße Zelte in dem Grünen,
All der Leids- und Kriegsgenossen
Balsam, Aloe und Myrrhen
Muß die heil'gen Dienste zollen.
Schlegel.
A n m. „Der assonierende Vokal soll der auszudrückenden Empfindung im Klange entsprechen.
Man findet daher im allgemeinen im u den Ausdruck des Dumpfen, des Schreckens, der
Furcht, des Abscheues, im a den der Reinheit, des Erhabenen, Bewunderung Erregenden,
Zarten, im o den des Vollen, Feierlichen, Staunens, innern Schmerzes, im e den des
Leeren, Kleinen, Gleichgültigen, im i den der Heftigkeit, des Ergreifenden in der Freude
und im physischen Schmerze. Ähnlich die Umlaute und Doppelvokale." Edler.
§ 32. Der Endreim (schlechthin Reim genannt) besteht in einem Gleich¬
klang von Vokalen und Konsonanten in verschiedenen Wörtern (von den letztern hoch¬
betonten Silbe ab), ist in der deutschen Poesie viel jünger als die Alliteration und
wahrscheinlich durch die gelehrte Mönchspoesie unter den fränkischen Königen nach
Deutschland gekommen oder doch wenigstens mehr verbreitet.