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Steinschneider und Goldschmiede. — Die Juden, die auch hier zerstreut
leben, haben keine eigentlichen Gewerbe; sie treiben sich zwischen der
Menge umher, bald einen kleinen Handel führend, bald den Dolmetscher
oder Cicerone machend. Ihre Kopsbedeckung besteht aus einer dunkeln,
steifen Mütze, um welche ein Stück Zeug genäht ist. Ihr Kaftan hat
denselben Schnitt, wie der des Türken, und' ist aus gewürfeltem, dunk¬
lem Kattun gemacht. — Ein Stand, der in allen orientalischen Erzäh¬
lungen und Märchen eine große Nolle spielt, sind die Derwische, die
türkischen Mönche, deren Sccten sich durch die Farbe der Kleidung unter- !
scheiden. Ihre langen Kaftans flattern ohne Gürtel frei um d'ie Hüfte
und sind bald hellbraun, bald weiß und bei dem Orden, der für den ;
ehrwürdigsten gilt, grün. Auf dem Kopfe haben sie einen Hut von '
weißem Filz, einen Fuß hoch und in der Form eines abgekürzten Kegels.
— Der Anzug des Volkes, der Wasser- und Lastträger, der Tagelöhner -
und Obsthändler läßt sich nicht wohl beschreiben; jeder zieht an, was
ihm geschenkt wurde, oder was er wohlfeil gekauft hat. Einige tragen
Kaftans, die meisten kurz abgeschnittene, runde Jacken, die bei den !
Wasserträgern von Leder sind. Die Beinkleider, vom Gürtel bis zum
Knie sehr weit, umschließen eng die Wade bis zum Fuß. Fast alle
tragen einen Turban von beliebiger Farbe, viele von grünem Zeug, was
diese als Nachkommen des Propheten bezeichnet: eine Ehre, die ihnen
weiter nichts als den Titel Emir verschafft. Emir bedeutet Herr oder
Fürst, und es ist trübselig, daß man die meisten dieser Fürsten gerade
unter den Taglöhnern und Bettlern findet. W. Hackländer.
64. Aussicht von: Sinai.
Ich habe stark aussehende Menschen gekannt, auf welche der erst¬
malige Anblick des Meeres einen solch erschütternden Eindruck machte,
daß sie fast ohnnrächtig wurden. Ohnmächtig zwar wurde keiner von
uns; mächtig erschüttert aber wurden wir alle durch die Aussicht vom
Berge, deren schon an sich selber große Macht durch das Andenken an
das, was einst hier geschehen, noch vielfach erhöht wird. Der Gipfel
des Sinai ragt rnchr denn siebentausend Fuß hoch über das Meer und
beherrscht eine Aussicht über die Ebene des Tieflandes und des Wassers,
welche einen Umfang von 144 Meilen hat, während nach der Richtung,
wo ferne Bergzüge jenseit dieses Kreises sich erheben, die Aussicht um
das Doppelte sich erweitert, so daß man den zackigen Umriß des furcht¬
bar schönen Wüsten-Panoramas, das sich hier dem Auge darbeut, nahe
auf 200 Meilen anschlagen darf: eine Ausdehnung, welche unter dem
reinen, klaren Himmel Arabiens bei so heiterem Wetter, als wir hier
trafen, in mlverkürzter Deutlichkeit dasteht.
Nach meiner Ueberzeugung wird wohl jeder Reisende, der den
Sinai besteigt und so wie wir die Aussicht von seinem Gipfel betrachtet,
in ihr eine so außerordentliche und eigenthümliche anerkennen müssen,
daß er derselben keine andere auf Erden'zu vergleichen weiß. Im Süden
wie in Ost und West bcnrerkt man an einzelnen Punkten den Gürtel des
Meeres, der das Hochland der peträischen Halbinsel umschlingt; jenseits
des Meeres in weiter Ferne mehrere Gebirgshöhen der arabischen und
ägyptischen Küste. Es ist, als stünde man in der Mitte des riesengroßen
Horstes eines einsamen Adlers, gegründet auf nackten, öden Felsen