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53. Hermann Billimg.
(953 n. Chr.)
I.
1. Hei, war euch das ein Jagen im Wald bei Stübeckshorn!
Scheu brach das Wild in Scharen durch Dickicht und durch Dorn.
Es folgt ihm auf dem Fuße der lustige Jägcrtroß,
Voran der Kaiser Otto auf stolzem Berberroß.
2. Da rauscht es in den Büschen, und mit gcwaltgem Schritt
Hervor ein Sachscnjüngling, ein blonder Recke, tritt;
Auf der gebräunten Stirne der Zorn die Adern schwellt,
Und kühn dem Roß des Kaisers er in die Zügel fällt.
3. Der Kaiser mustert staunend die riesige Gestalt,
Die trotzig kühne Stirne, von goldnem Haar umwallt.
Dann färbt die blasse Wange ihm Zornesröte hell:
„Platz deinem Herrn lind Kaiser, verwegener Gesell!"
4. Der schüttelt wie ein Löwe sein goldgelocktes Haar
Und blickt dem jungen Kaiser ins Auge fest und klar:
„So edel wie das deine, o Herr, ist mein Geschlecht,
Und nimmer darfst du beugen des freien Mannes Recht!
5. Mein ist der Grund und Boden, den jetzt dein Roß zertrat,
Mein ist das Wild der Wälder, mein rings die goldne Saat!
Wer wider meinen Willen mir Forst und Flur durchjagt,
Und wär cs selbst der Kaiser — Trotz jedem, der cs wagt!
6. Doch kehrst du, Herr, in Frieden als Fremdling bei mir ein,
So sollst dem Sachsen Billnng du stets willkommen sein!
Ob er es gleich nicht duldet, daß man sein Recht ihm raubt,
Dem Gaste doch das Jagen mit Freuden er erlaubt." —
7. Es wird im Kreis der Ritter ein Zornesmurmeln laut:
„Aus, schlagt den Frechen nieder, der solches sich getraut!"
Da trifft ein Blick des Kaisers die aufgeregte Schar,
Und schnell verstummt im Kreise das Murmeln wunderbar.
8. Dann hat sich Otto lächelnd dein Sachsen zugewandt;
Er reicht vom Roß hernieder ihm seine Eiscnhand:
„Du hast mirs angeboten, und topp! so soll es sein,
Es ladet sich der Kaiser bei dir zu Gaste ein!"