Full text: [Teil 4, [Schülerband]] (Teil 4, [Schülerband])

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fassend, sein Wille fest und rein, er suchte nur das Wohl seiner Unterthanen. 
Dennoch scheiterten seine Reformen, weil er ein unmögliches Ziel, einen 
Staat nach den philosophischen Ideen seines Jahrhunderts, erstrebte. 
203. Strnensee. 
Auf den tüchtigen Friedrich V. von Dänemark folgte 1766 sein ältester, 
jedoch erst 17 Jahre alter Sohn Christian VII., dessen Mutter eine Tochter 
Georgs I. von England, und dessen Gemahlin Karolina Mathilde eine 
Schwester Georgs III. war. Auf einer Vergnügungsreise nach Italien hatte 
ihn Johann Friedrich Strnensee, der Sohn eines aus Halle nach Altona 
berufenen Geistlichen, als Leibarzt begleitet und seine Gunst erworben; nach 
seiner Rückkehr gewann dieser auch das besondere Vertrauen der jungen Kö¬ 
nigin. Zum Etatsrat, dann zum Kabinetsrat emporgestiegen bewog er den 
schwachen König die bisherigen Günstlinge und Minister vom Hofe zu ent¬ 
fernen, zuerst den Grafen von Holk, an dessen Stelle Struensecs Freund 
Brandt als königlicher Gesellschafter eintrat, dann auch den verdienten 
Minister Grafen Bernstorff, und endlich hob er den ganzen Staatsrat auf. 
Im September 1770, unmittelbar nach Bernstorsfs Entfernung, begann 
Strnensee im Namen des Königs, der nichts mehr bedeutete, seine Refor¬ 
men. Er befreite den Bauernstand von den Bedrückungen, die ihm von der 
herrschenden Adelsaristokratie nach und nach auferlegt worden waren, und 
brachte die bäuerlichen Fronen und Abgaben auf ihr ursprüngliches rcchtli- 
liches Maß zurück. Ebenso befreite er den Bürgerstand von dem Druck der in 
allen städtischen Ämtern forterbenden Familien-Oligarchie, und er befreite 
die Presse, damit das Volk seine Klagen und Beschwerden vorbringen könne. 
Er organisierte die Gerichte neu und steuerte dem Unwesen, welches bisher 
den Adel auch vor dem Gesetz bevorzugt und ihm namentlich das Schulden¬ 
machen erleichtert hatte. Allein Strnensee beging auch Fehler. Indem er 
alles eigenmächtig und allein verfügte, ohne jemand zu fragen, beleidigte er 
bas öffentliche Rechtsgcfühl, welches des Volkes Schicksal nicht durch Macht¬ 
befehle, sondern durch gegenseitige Übereinkunft bestimmt wissen will. Indem 
er es nicht für nötig hielt, die Sprache des Volkes zu erlernen, sondern seine 
Erlasse in deutscher Sprache bekannt machte, beleidigte er das dänische 
Mckionalgcfühl. Indem er mit einem Federstrich alle Zünfte und Innungen 
aufhob, zerstörte er den bürgerlichen Organismus, und indem er eine Anzahl 
bisher gültiger lutherischer Feiertage abschaffte, beleidigte er auch das 
Religiöse Gefühl. Er machte sich dadurch unzählbare Feinde, während er 
burch die Eitelkeit, die ihn bewog sich und auch seinen Freund Brandt in 
den Grafenstand erheben zu lassen, den Nimbus des uneigennützigen und
	        
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