Full text: [Teil 4, [Schülerband]] (Teil 4, [Schülerband])

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Sprachgebiet in der Nähe der Einmündung der Sieg in den Rhein, bei der 
Vereinigung der Fulda und Werra zur Weser, bei dem Zusammenfluß der 
Saale mit der Elbe, wie auch die Elbe und die Warthe auf längere Strecken 
die Sprachgrenzen bilden. 
Läßt sich eine geographische Grenze zwischen Mittel- und Norddeutsch¬ 
land nur schwer ziehen, so verfällt jeder Kartenzeichner völliger Willkür, 
wenn er Grenzen zwischen Mittel- und Süddeutschland feststellen soll. Doch 
gibt es immerhin noch einige Unterschiede zwischen dem Oberdeutschen im 
südlichen und dem im mittleren Deutschland, wenn auch nicht in der Schrift-, 
doch in der Verkehrssprache, und nicht bloß in der Sprache, sondern selbst in 
der Küche. Der Norden salzt die Butter oder, wie man auch bisweilen im 
Süden sagt, den Butter; der Süden dagegen ißt süße Butter unb bereitet 
die Speisen mit Schmalz (geschmolzener Butter), was in Mitteldeutschland 
ganz ungewöhnlich ist, während man in Norddeutschland mit dem Namen 
Schmalz nur das Fett der Gänse und Schweine bezeichnet. Altein in Süd¬ 
deutschland legen die Hasen Eier, freilich nur in der Fastenzeit bis Ostern. 
Aber wie das Weihnachtsfest mit seinem Lichterbaum allmählich aus Mittel¬ 
deutschland nach Süden vorgedrungen ist, so werden umgekehrt der Osterhase 
und die Ostereier nach und nach den Norden heimsuchen. 
Kleine Schattierungen in der Umgangssprache finden sich unzählige, 
und wer von Nord nach Süd oder von Süd nach Nord versetzt wird, hat 
manches zu vergessen und manches zu erlernen. Hat mein Freund das zweite 
Stockwerk eines Hauses in Leipzig inne, so besuche ich ihn dort „zwei Treppen 
hoch", in München würde es heißen „über zwei Stiegen". In Leipzig muß 
ich an der „Vorhausthüre" klingeln, in München dagegen schelle ich vor 
der „Hausthüre." 
Wenn ein Süddeutscher in seinem Briefe über die Mückenplage klagt, 
so denkt sein Freund in Norddeutschland wahrscheinlich zunächst an die bösen 
Stechmücken, die am Rheine den lustigen Namen Schnaken führen, denn 
der Norddeutsche kennt im Hause nur die Fliege. Er weiß ferner, daß Roß 
und Gaul synonym sind mit Pferd, aber den ersten Ausdruck glaubt er 
der Dichtcrsprache überlassen zu müssen, und nie wird er zu seinem Stall¬ 
knecht sagen: „Sattle mir meinen Gaul!" denn Gäule spannt in Nord- 
deutschland nur den Fuhrmann vor den Frachtwagen. Das Tier, welches 
im Linneischen System Capra domestica heißt, wird in Mittel- und Nord¬ 
deutschland Ziege, in Süddcutschland Geiß genannt, und obgleich man in 
Süd lind Nord beide Ausdrücke versteht, so ist doch nur der eine gebräuchlich. 
In Süd- und Norddeutschland sagt man „ein Rehbock", aber nur in Süd¬ 
deutschland spricht man von Reh- und Hirschgeißcn. Im Norden ist das 
Weibchen des Hirsches eine Kuh; wie man sich aber richtig ausdrückt, wenn 
man ein weibliches Reh erlegt und „einen Bock schießt", indem man eine 
Geiß trifft, vermögen wir nicht zu sagen.
	        
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