Es kann uns deshalb nicht wundern, daß da, wo man die Wälder zum
größten Teile ausrodet, die Länder ihrer Fruchtbarkeit beraubt werden. So
bedeckten in alter Zeit herrliche Bäume die Berge Griechenlands, und das
wohl bewässerte Land trug Früchte im Überfluß und ernährte eine zahlreiche
Bevölkerung. Aber die Menschen zerstörten miltwillig selbst ihr Glück. Die
Wälder wurden dllrch ihre Hand verwüstet, und mit den Wäldern ver¬
schwanden die segenspendenden Bäche. Nun lechzten die ausgedörrten Ebenen
nach Wasser. Der Regen fiel in geringer Menge auf das Land, und wenn
er auch kam, so wurde er vom Boden nicht mehr festgehalten und den ver¬
borgenen Quellenkammern zugeführt, sondern er schwemmte nach und nach
das lockere Erdreich von den Abhängen der Berge herab und machte sie da¬
durch unfruchtbar. Wenn die warme Frühlingsluft die baumlosen Berge
berührte, so wurde der Schnee nicht mehr allmählich unter dem kühlenden
Schirme der Wälder anfgetant und von dem schwammigen Waldboden auf¬
gesogen. Plötzlich wurde er in Wasser verwandelt, und dieses stürzte mit
rasender Eile auf die Ebenen herab und brachte Verderben weit und breit.
Für die Thäler, die sich an Hochgebirgen hinziehen, sind die Wälder auf
den Abhängen der Berge auch deshalb von großer Wichtigkeit, weil sie dem
Lawinensturz ein Wehr entgegenstellen. Darum lebt auch in solchen Gegenden
die fromme Sage im Volke, daß die Bäume bluten, wenn man mit der Axt
einen Streich dagegen führt, und daß dem, der sie mutwillig beschädigt, die
Hand ans dein Grabe wachse.
Auch unser Vaterland würde großen Schaden leiden, wenn man seine
Wälder ausrodete. Viele Bäche würden während der heißen Jahreszeit ver¬
siegen, wenn der Schnee und der Frühlingsregen ihnen nicht in dein Dunkel
der Wälder allinählich Nahrung zuführte. Bei der plötzlichen Schneeschmelze
würden von den kahlen Abhängen der Berge die Wasser so jählings in die
Flüsse stürzen, daß diese aus ihren Ufern treten müßten. Schon jetzt werden
die Überschwemmungen, die fast jährlich die Ufer der Oder, der Elbe, des
Rheins und vieler andern Flüsse heimsuchen, von Sachverständigen der Ver¬
wüstung der Wälder zugeschrieben, die an den Quellen dieser Flüsse vormals
Berge und Hiigel bedeckten.
129. Die Pflanzenwelt der Urwälder Brasiliens.
Tritt der Europäer zum erstenmal in die unermeßlichen Urwälder
Brasiliens, so findet er Unerwartetes. Wohl mag er früher auf seinen Reisen,
als die heimatlichen Bilder noch vor seiner Seele standen, da oder dort
gefragt haben, ob das Urwald sei; jetzt, wo er denselben betreten hat, fragt
er nicht mehr. Der feierliche Schauer, der jeden befällt, der zum erstenmal