Full text: [Teil 5, [Schülerband]] (Teil 5, [Schülerband])

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sie die langen Stäbe aus den Dornen, die sie zum Lenken ihrer 
Ochsen brauchen; auch verfertigen sie aus ihnen die Heuschrecken¬ 
eggen, indem sie eine Menge üoii Dornzweigen an einen Balken 
befestigen, sie mit Steinen beschweren und, sie fortschleifend, damit 
die Heuschrecken auf dem Felde töten. Selbst die Egge, mit der 
sie nach der Aussaat die Körner eineggen, ist auf diese Weise 
gemacht. Im Frühlinge freuen sich die Kosaken über die Blüte 
und den Duft des Schlehdorns und wandern um ihn herum, 
den Duft genießend. 
Der Holunder steht häufig an ben schroffen Ufern des 
Schwarzen Meeres um Odessa herum. Die deutschen Kolonisten 
sammeln hier seine Blüte, wenn sie noch ganz zart ist, und 
machen ihre im Schwabenlande so beliebten „Holderkuchle" davon, 
indem sie die ganze Dolde in einen Mehlteich tauchen und sie 
wie Blumenkohl verzehren. 
Eine sehr bedeutende Rolle im Leben der Steppenbewohner 
spielt das Schilf. Alle Häuser der Landleute werden mit Schilf 
gedeckt, die Zäune der Gärten werden, wenn man sie nicht von 
Erde auswerfen will, aus Schilf geflochten. Man stellt dazu 
ganz einfache dicke Bündel von Schilf in schmale Gräben in die 
Erde und flicht sie mit ihren oberen Enden zusammen. Ja, in 
vielen Gegenden bauen die Leute auch ihre Häuser aus Schilf, 
und zwar oft ganz hübsche und wohnliche, wobei die Schilfwände 
so mit Lehm und Kalk überwarfen werden, daß man sich ein¬ 
bildet, in einem steinernen Hause zu sein. Endlich dient das 
Schilf auch noch als Brennmaterial, wenngleich nicht als das 
vorzüglichste, denn es hinterläßt noch weniger anhaltende Glut 
als das Stroh. Der Dniestr und Dniepr versehen weit und 
breit die Umgegend mit diesem in so viele Lebensverhältnisse 
eingreifenden Hauptbedürfnisse, und beständig winden sich lange, 
mit Schilf beladene Wagenreihen aus ihren Niederungen auf 
die Steppe herauf. Der Dniestr insbesondere versorgt die Stadt 
Odessa mit diesem Artikel. Die Schilfwaldungen der Flüsse sind 
gemeinschaftliches Gut der anliegenden Ortschaften, und ein jeder 
der Ortsbewohner kann so viel herausholen, als er Lust hat. 
Die Krone besitzt auch große Gebiete in diesen Schilfen und 
schickt zuweilen ganze Regimenter zum Abschneiden hinein. 
Die Gräser werden nur einmal im Jahre gemäht; denn 
die Steppe hat in den Monaten Juli und August zu wenig 
Kraft, um neue Halme zu treiben, da sie in dieser Zeit fast 
ebenso tot, wie im Winter daliegt. Im September und Oktober 
giebt es freilich wieder Regen und Gras; jedoch wird dies Herbst- 
gras zum Mähen nicht hoch genug, und man läßt es daher 
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