Full text: Charakterbilder aus der Völkerkunde (Abt. 3)

28 Indianer in Nordamerika. 
gerichtet aus Stangen, Brettern und Zweigen, bedeckt mit Rasen, 
Baumrinde, Fellen und Matten. Die Kleidung bereiten sie 
sich aus Wildhäuten oder erhalten sie von der Regierung oder 
tauschen sie ebenso wie Flinten, Pulver und Blei von den 
Händlern ein. Etwas Mais ist das einzige, was die Familie 
der Erde abgewinnt, für die übrigen Lebensmittel ist sie auf 
den zufälligen Ertrag der Jagd, auf wilde Wurzeln und Wald- 
früchte, auf kleines eßbares Getier angewiesen. Der Hunger 
ist datier ein regelmäßiger Gast in den Jndianerhütten. 
Übrigens sind die Indianer scharfsinnig und schlau in den 
Listen der Jagd, im Überfall des Feindes, in der Ratsver- 
sammluug. Ihre sonstigen Geschäfte besorgen sie mit Trägheit 
und Sorglosigkeit. In der Verfertigung von Schmucksachen 
und Geräten bleiben sie den überlieferten Handgriffen treu und 
zeigen darin einen gewissen rohen Geschmack, der sich an bunten 
Figuren und Farben ergötzt. Auffallend ist ihr Unvermögen, 
Gedanken zu verbinden und Schlüsse zu ziehen; ihr geistiger 
Blick hat immer nur die gerade Richtung bald auf das eine, 
bald auf das andere; daran bleibt er kleben und erhebt sich 
nicht zum Überschauen des Ganzen. Auch fällt es ihnen fehr 
schwer, an die Zukunft zu denken und dafür Pläne und An- 
stalten zu machen, wohl aber haftet ihr Gedächtnis mit Zähig- 
feit an vergangenen Ereignissen. Die Zukunft ist für sie 
inhaltlos, weil ihr Geist nichts hineinzulegen vermag. Die 
Indianer sind schwer von Begriff, und ihre vielbewunderte 
Schweigsamkeit und Selbstbeherrschung möchte hauptsächlich in 
der Öde und Starre ihres Geistes den Grund haben. Nahe 
daran grenzt eine andere Eigentümlichkeit: kein Indianer ist 
für ein Gemeingefühl, für eine Idee zn begeistern. Nur was 
ihn selbst betrifft, regt ihn zur Thätigkeit an; aus Stolz, Ehr¬ 
geiz und Rache duldet und unternimmt er das Äußerste mit 
großer Ausdauer, alles andere berührt ihn kaum, er hat kein 
Verständnis dafür. 
Ein tieferer Blick in die Jndianernatur erschließt sich bei 
Beobachtung der religiösen Gesinnung. Des Indianers Cha- 
rakter ist von einer ernsten Religiosität ganz erfüllt, sie be- 
herrscht vollständig sein Denken und Thun. Es ist jedoch eine 
eigene Art von Religiosität. Der Wilde glaubt sich überall 
von unsichtbaren Geistern umgeben, von Dämonen oder Manitu, 
in deren Gewalt zu kommen er sich fürchtet. In jedem Dinge,
	        
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