Full text: Deutsches Lesebuch für die Bedürfnisse katholischer Volksschulen

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15. Graf Eberhard der Rauschebart. 
5. Bald sieht Herr Ulrich drüben der Städter Scharen stehn, 
von Reutlingen, von Augsburg, von Ulm die Banner wehn; 
da brennt ihn seine Narbe, da gärt der alte Groll: 
„Ich weiß, ihr Übermüt'gen, wovon der Kamm euch schwoll!“ 
6. Er sprengt zu seinem Vater: ‚„Heut zahl' ich alte Schuld!“ 
Will's Gott, erwerb' ich wieder die väterliche Huld! 
Nicht darf ich mit dir speisen auf einem Tuch, du Held! 
Doch darf ich mit dir schlagen auf einem blut'gen Feld!“ 
1. Sie steigen von den Gaulen, die Herrn vom Löwenbund, 
sie stürzen auf die Feinde, thun sich als Löwen kund. 
Hei, wie der Löwe Ulrich so grimmig tobt und würgt! 
Er will die Schuld bezahlen, er hat sein Wort verbürgt. 
8. Wen trägt man aus dem Kampfe dort auf den Eichenstumpf? 
„Gott sei mir Sünder gnädig!“ — er stöhnt's, er röchelt's dumpf. 
O königliche Eiche, dich hat der Blitz zerspellt! 
O Ulrich, tapfrer Ritter, dich hat das Schwert gefällt! 
9. Da ruft der alte Recke, den nichts erschüttern kann: 
„Erschreckt nicht! Der gefallen, ist wie ein andrer Mann! 
Schlagt drein! Die Feinde fliehen!“ — Er ruft's mit Donnerlaut. 
Wie rauscht sein Bart im Winde! Hei, wie der Eber haut! 
10. Die Städter han vernommen das seltsam list'ge Wort. 
„Wer flieht?“ so fragen alle; schon wanklt es hier und dort. 
Das Wort hat sie ergriffen gleich einem Zauberlied; 
der Graf und seine Ritter durchbrechen Glied auf Glied. 
11. Was gleißt und glänzt da droben und zuckt wie Wetterschein? 
Das ist mit seinen Reitern der Wolf von Wunnenstein. 
Er wirft sich auf die Städter, er sprengt sich weite Bucht, 
da ist der Sieg entschieden, der Feind in wilder Flucht. 
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12. Im Erntemond geschah es, bei Gott, ein heißer Tag! 
Was da der edlen Garben auf allen Feldern lag! 
Wie auch so mancher Schnitter die Arme sinken läßt! 
Wohl halten diese Ritter ein blutig Sichelfest. 
13. Noch lange traf der Bauer, der hinterm Pfluge ging, 
auf rost'ge Degenklingen, Speereisen, Panzerring'; 
und als man eine Linde zersägt und niederstreckt, 
zeigt sich darin ein Harnisch und ein Geripp' versteckt. — 
14. Als nun die Schlacht geschlagen und Sieg geblasen war, 
da reicht der alte Greiner dem Wolf die Rechte dar: 
„Hab' Dank, du tapfrer Degen, und reit mit mir nach Haus, 
daß wir uns gütlich pflegen nach diesem harten Strauß!“
	        
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