Full text: Deutsches Lesebuch für die Bedürfnisse katholischer Volksschulen

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43. Cincinnati. 
Knochen bleiben liegen und werden bald eine Beute der gefräßigen 
Flammen. Und mitten darunter die flüchtigen, stolzen Pferde der 
Wildnis mit ihren Feinden, den Wölfen! Alles denkt nur an seine 
Rettung! Wölfe und Leoparden rennen vorüber an dem sterbeuden 
Hirsche, wie an dem Rehbocke, der mit kühnem Sprunge über das 
Bergwasser zu setzen sich bemüht. Keiner kümmert sich um den andern; 
denn das Feuer hat mit seinen heißen Flammen bereits ihre Füße 
berührt, ihre Haare versengt! Wird die Flucht gelingen? Vielleicht, 
wenn ein rettender Strom, ein kühlender See sich zwischen sie und die 
Flammen stellt. Dahinein geht's ohne Bedenken; es giebt keine Wahl! 
Ob tausende der Tiere der Wildnis ertrinken, ehe sie das rettende 
Ufer erreichen, niemand merkt den Abgang, denn unerschöpflich waren 
bis jetzt noch diese Schätze der Prärien. Und im nächsten Jahre, 
da wächst auf dem ausgebrannten, gedüngten Boden das Gras doppelt 
hoch, Büsche und Blumen sprießen hervor, und niemand ahnt, daß 
hier vor einem Jahre ein Feuer wütete, wenn nicht im grünen Grase 
die weißen Knochen der vernichteten Tiere dem Reisenden erzählten 
von einem Waldbrande in den Savannen. Ulrici. 
43. Cincinnati.*) 
Cincinnati, die Königin des Westens und die deutsche 
Hauptstadt Amerikas, erzählt ein Reisender, erhebt sich von den 
blühenden Ufern des Ohio**) breit und stolz in aufsteigenden Terrassen und 
grünen Hügeln. Wo die massiven Häuser und Paläste von rötlichem 
Sandstein zwischen den grünen Bäumen mit dicken Kronen und die Fabriken 
mit hohen Schornsteinen sich jetzt erheben, war gegen das Ende des vorigen 
Jahrhunderts noch eine Wildnis und Wüste voll zerstreuter Rothäute, 
ohne die Spur eines Weißen. Jetzt übersteigt die Einwohnerzahl bereits 
die der meisten Städte unseres Vaterlandes. Wiewohl die Deutschen der 
Zahl nach die Minderheit bilden, so haben dennoch die Straßen, die 
Gebäude, die Gewerbe und überhaupt der ganze Ton der Stadt einen 
deutschen Anstrich. Überhaupt genießen die Deutschen in geistiger 
Beziehung vor den übrigen Bewohnern entschieden den Vorrang. 
Die Ohio-Gegenden um Cincinnati erinnern oft an die Rhein— 
lande. Und wenn man dabei von den verschiedensten Seiten deutsche 
Töne und Lieder hört und deutsche Gesichter sieht, ist die Täuschung 
zuweilen vollkommen. Ich zweifle nicht, daß Ohio mit seiner stolzen, 
glücklich gelegenen, blühenden Hauptstadt das eigentlich amerikanische 
Deutschland wird. Die englische Sprache, die sonst überall Siegerin 
über andere geworden, hat sich hier allein genötigt gesehen, nachzugeben. 
Die Amerikaner, Engländer und Irländer lernen deutsch, um mit Deutschen 
deutsch zu reden, und an ihren Läden steht angeschlagen: „Hier spricht 
man deutsch“, eine Anzeige, die sich auch in anderen amerikanischen Städten 
9 spr. ßinßinẽti. 
D 
*) spr. Oheio.
	        
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