20. Wessen Licht brennt länger?
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andere Töne, nämlich den Baß in der Höllenmusik, ohne daß man
sagen konnte, sie kämen daher oder dorther. Seinen Knaben, der ihm
immer die Fische im Lägel den Schloßberg hinauftragen half, nahm er
nie in das Weidhaus mit hinein, sondern ließ ihn draußen am Hof—
thore warten, bis er die Karpfen und Forellen dem Koche vorgewogen
und dafür das Seine empfangen hatte. Mein Kopf und mein Herz,
dachte der fromme Mann, tanzen nicht mehr nach dieser Musik; aber
der Fuß meines Toni steht noch nicht so fest.
Aber einmal, es war am heiligen Christabend, rief die gnädige
Frau den Jungen, der, mit den Händen unter dem Hosenträger, am
Hofthore lehnte und pfiff, zu sich in ihr Zimmer, legte ein schweres
böhmisches Goldstück in seine Hand und sprach zu ihm: „Toni, gehe
eilends hinunter nach Zwiesel zum Italiener und kaufe sechs Pfund
Wachskerzen; denn bei uns ist heute Bankett und Tanz, und den
Küchenjungen hat der Sultan gebissen.“
Und der Knabe beurlaubte sich bei seinem Vater und lief hinab
in den Flecken, vor dem der große und kleine Regen zusammenkommen,
um mit einander den weiten Umweg in die Donau zu machen. Es hatte
in diesem Jahre noch nicht geschneit. Die Meisen trieben in den Erlen—
und Weidenbüschen ihre lustigen Gaukeleien, und die Felsen sonnten sich
an der Sommerseite des Thales. Auch bei dem Krämer in Zwiesel war
heiteres Wetter. Er gab mit großer Freundlichkeit dem Knaben zu
den langen weißen Kerzen noch drei kleinere bunte darein und sagte:
„Toni, die zündest du heute abend dem Christkindlein an, und diesen
Pfefferkuchen im Fließpapier teilst du mit deinem Vater. Wenn die
Herrschaft im Weidhaus fort ist, soll er seine Fische wieder mir bringen
und dem geistlichen Herrn auf die Fasttage.“
Den Knaben freute die Weihnachtsgabe, und ob es gleich heim—
wärts bergauf ging, so brauchte er doch zum Rückweg eine halbe Stunde
weniger als zum Hinweg. Auf Geheiß der Schloßfrau bekam er als
wohlverdienten Botenlohn einen Mariengroschen und ein Krüglein Met.
Die brachte er seinem Vater.
Der hätte nun gern die Kerzen des Toni aufgehoben und nach
und nach angezündet; aber der Knabe meinte, man dürfe dem Jesus—
kinde schon etwas zu Ehren thun, machte Gestelle aus weichem Thon,
steckte die bunten Kerzen hinein und zündete sie, als sich der Tag geneigt
hatte, alle drei mit einander an, daß die Fischerstube noch nie so er—
leuchtet gewesen war, so lange sie stand. Mit seinen Fingern, die am
Ruder hart geworden waren, putzte er sie, und sein Vater las dabei
die zwei ersten Kapitel des Evangelisten Lukas. Darnach genossen sie
mit Danksagung den Met und den Pfefferkuchen.
Im Weidhaus aber wirbelten die Tanzenden im Kreise umher
wie Blätter und Federn in der Windsbraut, die einer Gewitterwolke
vorausläuft.
Was im Schlosse diente, versah sein Amt in der Schenke oder
gaffte durch die offenen Saalthüren auf die wirbelnden Frauen und