Full text: [Abteilung 5 = Für Ober-Tertia, [Schülerband]] (Abteilung 5 = Für Ober-Tertia, [Schülerband])

A. Epische Poesie. 
I. Fabeln, Parabeln und Allegorien. 
54. Der junge Krebs und die Seemuschel. 
Von Christian Fürchtegott Geliert. 
Der Muschel, die am seichten Strande 
ihr Laus bald voneinander bog, 
bald wieder fest zusammenzog, 
sah einst mit Neid und Unverstände 
5 ein junger Krebs aus seiner Äöhle zu. 
„O Muschel, wie beglückt bist du! 
O, daß wir Krebse nur so elend wohnen müssen! 
Bald stößt der Nachbar mich aus meiner Wohnung aus 
und bald der Sturm. Du hast dein eigen steinern Äaus, 
10 kannst, wenn du willst, es öffnen und verschließen. 
Vergönne mir nur einen Augenblick — 
ich weiß, du gönnst mir dieses Glück — 
in deinem Schlosse Platz zu nehmen." 
„Ich", sprach sie, „sollte mich zwar schämen, 
15 in mein nicht aufgeputztes Äaus — 
denn in der Tat sieht's jetzt nicht reinlich aus — 
vornehme Äerren einzunehmen. 
Doch dienet es zu Ihrer Ruh', 
auf kurze Zeit zu mir sich zu verfügen, 
20 so dien' ich Ihnen mit Vergnügen; 
wir haben Platz." Er kömmt. Sie schließt ihr Schloß fest zu. 
„Mach' aus," schreit er, „denn ich ersticke." 
„Bald", spricht sie, „will ich dich befrei'n. 
Sieh erst der Mißgunst Torheit ein 
25 und lerne hier, mit deinem Glücke, 
weiln dir's gefällt, zufrieden sein!"
	        
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