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IV. Erzählungen, Balladen und Romanzen.
die Mutter ihn zur meinen hergeschickt,
20 Ersatz zu fordern. Kaum ins Aug' geblickt
hatt' ihm die meine, wie er dunkelrot
verlegen stotternd ihr das Röckchen bot,
so hatte sie den Jungen auch schon lieb.
„Bleib heut zum Abend bei uns!" — And er blieb.
25 „Komm wieder, wenn du nichts zu schaffen hast!" —
Er kam und ward uns bald solch lieber Gast,
daß abends, wenn die sechste Stunde schlug,
schon alt und jung nach unserm Freundchen frug.
Dann ging's zum Essen, — heisa, wie's ihm schmeckte!
30 Doch nascht' er nicht, und stets nur nüchtern nippen
sah ich am Weine seine frischen Lippen,
indes die Äand sich oft zum Brote streckte,
wenn ich zum Braten schielte. War zu dünn
die Butter auf dem Brot mir, — er nahm's hin;
35 war mir zu Wunsch das Äeringsstück nicht ganz, —
er lacht' mich aus und aß vergnügt vom Schwanz,
und wollt' auch sonst mir dies und das nicht Paffen,
und konnt' ich meine Kinderei'n nicht lassen:
mitunter ernst, weit öfter doch im Scherz
40 sprach er zu mir, doch immer grad' ins Äerz,
bis mich die Sache schließlich anders grämte
und ich dahinter kam, daß ich mich schämte.
So, wenn behaglich sich am Tischesrand
zum Plaudern groß und klein zusammenfand,
45 der Lampe mildes Licht darüber blickte,
und kindlich, schelmisch, rot und kerngesund
von drüben uns mit seinem seinen Rund
sein lieb Gesicht aus vollen Locken nickte, —
uns mutet's an, als ob unmöglich wär'
50 jedweder Ansried', saß am Tisch auch er, —
noch wärmer schien der kleinen Lampe Schiminer,
noch wohnlicher das traute alte Zimmer.
So glich er einem jener guten Bolden,
die nach der Alten freundlichem Bericht
55 dem, den sie lieben, §5erd und Äaus vergolden,
und lächelnd sah der Vater ins Gesicht
der Mutter, die sein Walten recht erkannte,
wenn sie ihn wohl den kleinen Äausalb nannte.