Full text: [Abteilung 6 = Für Unter-Sekunda, [Schülerband]] (Abteilung 6 = Für Unter-Sekunda, [Schülerband])

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II. Kulturbilder. 
nicht neben dem Wagen reiten. In Dechdau bekamen Seine Majestät 
den Lerrn Rittmeister von Zieten, dem Dechdau gehört, zu sehen und 
behielten ihn neben dem Wagen bei sich bis dahin, wo die Dechdauische 
Feldmark zu Ende geht. Lier wurde wieder umgespannt. Der Laupt- 
mann von Rathenow, ein alter Liebling des Königs, welchem das Gut 
Karvesee gehört, befand sich hier mit seiner Familie und ging an den 
Wagen heran: „Untertänigster Knecht Ew. Majestät." — „Wer seid 
Ihr?" — „Ich bin der Lauptmann von Rathenow aus Karvesee." — 
(Die Lände saltend:) „Mein Gott! Lieber Rathenow, lebt Er noch? 
Ich dachte, Er wäre längst tot. Wie geht es Ihm? Ist Er gesund?" — 
„O ja, Ew. Majestät." — „Aber, mein Gott! Wie dick ist Er ge¬ 
worden!" s— „Ja, Ew. Majestät. Essen und Trinken schmeckt noch 
immer; nur die Füße wollen nicht sort." — „Ja, das geht mir auch 
so. Ist Er verheiratet?" — „Ja, Ew. Majestät." — „Ist Seine Frau 
auch unter den Damen dort?" — „Ja, Ew. Majestät." — „Laß Er 
sie doch Herkommen!" (Sogleich nahm er den Lut ab.) 
„Ich finde an Ihrem Lerrn Gemahl einen guten alten Freund." — 
„Sehr viel Gnade für meinen Mann!" — „Was sind Sie für eine 
geborene?" — „Ein Fräulein von Kröcher." — „Laha! Eine Tochter 
vom General von Kröcher?" — „Ja, Ihro Majestät." — „0, den habe 
ich recht gut gekannt." 
„Lat Er auch Kinder, Rathenow?" — „Ja, Ew. Majestät. Meine 
Söhne sind in Diensten, und dies sind meine Töchter!" — „Run! Das 
freut mich. Leb' Er wohl! Leb' Er wohl!" 
Run ging der Weg aus Fehrbellin, und der Förster Brand ritt 
als Forstbedienter mit. Als wir an einen Fleck von Sandschellen 
kamen, die vor Fehrbellin liegen, riefen Seine Majestät: „Förster, 
warum sind die Sandschellen nicht besäet?" — „Ew. Majestät, sie ge¬ 
hören nicht zur königlichen Forst; sie gehören mit zum Acker. Zum 
Teil besäen die Leute sie mit allerlei Getreide. Lier rechter Land haben 
sie Kienäpfel gesäet." — „Wer hat die gesäet?" — „Lier der Ober¬ 
amtmann." 
(Der König zu mir:) „Ra! Sagt es meinem Geheimen Rat Michaelis, 
daß die Sandschellen besäet werden sollen." — (Zum Förster:) „Wißt 
Ihr aber auch, wie Kienäpfel gesäet werden?" — „O ja, Ihro Maje¬ 
stät." — „Ra! Wie werden sie gesäet? Bon Morgen gegen Abend 
oder von Abend gegen Morgen?" — „Bon Abend gegen Morgen." — 
„Das ist recht. Aber warum?" — „Weil aus dem Abend am meisten 
Winde kommen." — „Das ist recht!" 
Run kamen Seine Majestät zu Fehrbellin an, sprachen daselbst
	        
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