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III. Naturbilder.
grün ist das Blättchen, wie anmutig die Fülle der Blütenglöckchen,
die bald lila, bald rosenrot ihre dichten Ähren ansetzen!
Neben der Erika finden wir die wie Stahl glänzende, starre, ver¬
krüppelte Stechpalme, auch die Ginsterarten, den Wacholderstrauch und
die Äeidel- und Preißelbeere.
Wer im Spätsommer, wo die Luft so klar ist, durch die Äeide
dahinschreitet, der sieht den Äimmel über sich wie eine kristallene Glocke;
die Sonnenstrahlen spinnen flimmernd über der Steppe; keine Wolke
zieht durch die Luft, kein Schatten über die Erde; kein Geräusch dringt
an das Ohr, es wäre denn das eintönige Geschrill der Heuschrecke oder
das Summen der Bienen.
Die schwermutvolle Einsamkeit überwältigt den Wanderer. Er
glaubt von allem Leben den schier undurchdringlichen Erikateppich ver¬
lassen, aber schaut er näher zu, so fleht er goldschimmernde Laufkäfer
dahineilen, gierig nach Erbeutung einer Raupe; er sieht den sammet¬
schwarzen Trauermantel sich sonnen, die Eidechse durch das Kraut
schlüpfen, die Feldmaus mit klugen, schwarzen Augen hervorlugen und
Äunderte von Würmchen umherkriechen und -krabbeln.
Es umwebt uns der Zauber einer Märchenwelt, wenn wir uns
auf den braunroten Teppich niederlassen, allen seinen Tönen, die uns
umschweben, lauschen und die Zier und Mannigfaltigkeit all der Blüten
und Knospen betrachten, die uns umwuchern. Dort hängen sie wie
die reinsten Perlen an den schlanken, schwankenden Stiel gereiht, hier
wiegen sie sich wie Korallenkügelchen an einem hellgrünen Seiden-
fädchen; diese ist ein Miniaturbild der Äagrose, jene weiße gleicht einer
Beere; hier zittert ein Alabasterglöckchen, das dieser kleinen Welt viel¬
leicht zur Äora läutet, und da schwankt ein weiß und rot gefärbtes
Fläschchen; diese Blüte gleicht einem Turban, und jene hat ganz die
Farbe und die Form eines silbernen Trompetchens. Ist es nicht, als
sei ein Elfenhaushalt ausgetan? Würde man sich wundern, wenn die
kleinen Llnterirdischen, die zauberischen Sommergeister aus ihren Schlupf¬
winkeln herbeikämen, mit diesen Turbanen und Perlen sich schmückten,
aus diesen Fläschchen Äonig schlürften, aus diesen Trompetchen musi¬
zierten?
Es ist so still, die Leide liegt
im warmen Mittagssonnenstrahle,
ein rosenroter Schimmer fliegt
um ihre alten Gräbermale;
die Kräuter blühn; der Leideduft
steigt in die blaue Sommerluft.
Laufkäfer hasten durchs Gesträuch