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V. Elegien.
Wat wohr is, dat bliwwt wohr!"
50 „Lürt dat villicht noch süs wer dor?" —
„Dat glöw ick nich, dat kunn woll nich gescheihn:
Wi stunnen an den Aden ganz allein." —
„Dat is fatal! Nur einen Zeugen!-
Nu paß ioei up un häud' Lei fick vör't Leigen!
55 Säd' Päsel Em ok süs noch wat?" —
„Äerr Llmtmann, ja! Lei säd' noch, dat
woll keiner dat bestriden künn,
dat Sei en Swinhund deden sin,
un dat wull hei mi schriftlich gewen." —
60 „Er Schafskopf, Esel, Dummerjahn!
Warum nahm Er denn das nicht an?
Warum ließ Er sich's denn nicht geben?" —
„Ih, dat ded' ick em so tau glöwen."
V. Elegien.
114. Der Wem.
Von Emanuel Geibel.
Äeilig acht' ich den Wein, und immer, sobald er die Lippen
herzersreuend mir netzt, denk' ich des Lebens dabei.
Denn vom Lichte gezeugt und der alles ernährenden Erde,
grüßt in des Lenzes Beginn schüchtern die Rebe den Tag;
5 und dann küßt sie der Strahl, da weint sie. Aber die Zähren
sind noch süß und allein quellenden Lebens Symbol.
Bald auch schießen die Blätter heraus in grünender Jugend,
und allmählich am Stock drängt sich die Traube hervor.
Langsam reift sie, vom Glanze gesäugt, bis endlich im Äerbste
10 voll süß schwellenden Safts purpurn den Winzer sie lockt.
Wenn sich das Laub dann senkt und, den Tod vorahnend, noch einmal
prächtig in Farben erglüht, naht er mit blinkendem Erz;
und vom Stamme gelöst und gelöst von der nährenden Mutter,
wird die gezeitigte Frucht unter die Kelter getan.
15 Ach, dann duldet sie viel; der Geburt ursprüngliche Reinheit
geht ihr verloren, sie weint blutige Tränen des Leids.
Aber das Fremde bewältigt sie nicht, und die Strahlen der Sonne,
die sie als Kind einsog, regen sich mächtig in ihr,