Full text: [Teil 5 = achtes (und neuntes Schuljahr)] (Teil 5 = achtes (und neuntes Schuljahr))

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einige Augenblicke ausdauern könnte, da diese Vögel es lieben, strom— 
aufwärts zu waten, und die rasche Wellenbewegung die eingefangene 
Luft augenblicklich weiter tragen und befreien müßte. Freilich wird 
das Gefieder nicht naß; allein bei seiner pelzartigen Dichtigkeit und 
naturlichen Fettigkeit ist dies leicht erklärlich. Zudem dauert der Auf⸗ 
enthalt unter dem Wasserspiegel selten über eine, gewiß höchstens zwei 
Minuten, und so lange vermag der kräftige Vogel gewiß den Atem 
einzuhalten. 
Die beständige Beweglichkeit dieses thätigen Tierchens, in der es 
bald seine weißschimmernde Brust hoch aufrichtet, bald den Schwanz 
in die Höhe wirft und eine kühle Welle über Kopf und Rücken hin— 
spielen läßt, bald wieder leicht und rasch auf einen andern Bachstein 
fliegt oder an den Uferbüschen hinläuft, im schnellsten Fluge über 
die Flut streicht oder froschartig hineinspringt, gewährt einen äußerst 
freundlichen Anblick. Durch seinen winterlichen Gesang ist es der 
Liebling des Menschen geworden. Zwischen den hochbeschneiten Ufern, 
wo der Bach mit Eisplatten bedeckt, die Steine mit Eiszapfen be⸗ 
hangen sind, richtet es sich hoch auf und singt in der schärfsten Kälte 
mit heller, fröhlicher, lauter und oft zwitschernder Stimme etliche 
hübsche Strophen, die es mit schmatzenden uͤnd schnarrenden Tönen 
uͤnterbricht; — und verschwindet wieder zum frischen Bade in den 
eisigen Wellen mit einer für einen Landvogel beispiellosen Taucher— 
fertigkeit. Das Wasser und das Lied sind sein Element, am Wasser 
lebt und brütet, jagt und singt es, am Wasser freut es sich seines 
Ebens, und wenn es krank und alt geworden und an einem schönen 
Abend aufgehört hat zu singen und zu tauchen, nimmt es die fromme 
und vertraute Welle in ihren Schoß und trägt es gelind und sanft 
dahin dem Flusse zu. Und doch, wie wenige dieser freundlichen und 
lieblichen Tierchen sterben wohl eines natürlichen Todes! Wir haben 
freilich nie gesehen, daß eine Wasseramsel verfolgt worden wäre; aber 
gewiß raubt der Turmfalke und der Taubenhabicht manche, und 
manche holt in der Nacht von ihrem Ufersteine der leise suchende 
Fuchs oder der hüpfende Marder, die Katze oder das Wiesel, selbst 
die Otter. 
Doch kennt die Wellenfreundin das Drohen eines traurigen 
Schicksals nicht. Ihre Lust ist Unverwüstlich, ihre Arbeit unaufhörlich. 
Aus dem flüfsigen Krystall ihres Elementes holt sie allerlei Wasser— 
käferchen und Larven vom Boden des Beltes herauf, hascht auch die 
Muͤcken und Fliegen weg, die ihr Reich durchsummen, und greift 
selbst die kleinen Kaulköpfe und die Eier und Brut der Forellen an, 
— wenigstens versichern alle Fischer uns dessen. Den Menschen 
fürchtet sie nicht; sie wendet ihm gar freundlich ihre Brust entgegen, 
wenn er am Ufer steht. Indessen schießt man sie oft weg, da ihr 
Fleisch von feinem Geschmacke ist. Wähnt sich das harmlose Tierchen 
verfolgt, so fliegt es oft in einen offenen Buschversteck des Bachbordes 
Und sigt dort feft, im Glauben, hinlänglich geborgen zu sein. Ist es
	        
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