in einer der obern Etagen einen guten Platz angewiesen, wo wir das
Ganze vollkommen übersehen konnten. Mit dem frühesten begaben wir
uns an Ort und Stelle und beschauten nunmehr von oben, wie in
der Vogelperspektive, die Anstalten, die wir tags vorher in nähern
Augenschein genommen hatten. Da war der neu errichtete Spring—
brunnen mit zwei großen Kufen rechts und links, in welche der
Doppeladler auf dem Ständer weißen Wein hüben und roten Wein
drüben aus seinen zwei Schnäbeln ausgießen sollte. Aufgeschüttet zu
einem Haufen lag dort der Haber, hier stand die große Bretterhütte,
in der man schon einige Tage den ganzen fetten Ochsen an einem
ungeheuren Spieße bei Kohlenfeuer braten und schmoren sah. Alle
Zugänge, die vom Römer aus dahin und von andern Straßen nach
dem Römer führen, waren zu beiden Seiten durch Schranken und
Wachen gesichert. Der große Platz füllte sich nach und nach, und
das Wogen und Drängen ward immer stärker und bewegter, weil die
Menge womöglich immer nach der Gegend hinstrebte, wo ein neuer
Auftritt erschien und etwas Besonderes angekündigt wurde.
Bei alledem herrschte eine ziemliche Stille, und als die Sturm—
glocke geläutet wurde, schien das ganze Volk von Schauer und Er—
staunen ergriffen. Was nun zuerst die Aufmerksamkeit aller, die von
oben herab den Platz übersehen konnten, erregte, war der Zug, in
welchem die Herren von Aachen und Nürnberg die Reichskleinodien
nach dem Dome brachten. Diese hatten als Schutzheiligtümer den
ersten Platz im Wagen eingenommen, und die Deputierten saßen
vor ihnen in anständiger Verehrung auf dem Rücksitz. Nunmehr be—
geben sich die drei Kurfürsten in den Dom. Nach Überreichung der
Insignien an Kur-Mainz werden Krone und Schwert sogleich nach
dem kaiserlichen Quartier gebracht. Die weiteren Anstalten und
mancherlei Ceremoniell beschäftigten mittlerweile die Hauptpersonen
sowie die Zuschauer in der Kirche, wie wir andern Unterrichteten uns
wohl denken konnten.
Vor unsern Augen fuhren indessen die Gesandten auf den Römer,
aus welchem der Baldachin von Unteroffizieren in das kaiserliche
Quartier getragen wird. Sogleich besteigt der Erbmarschall Graf von
Pappenheim sein Pferd, ein sehr schöner, schlankgebildeter Herr, den
die spanische Tracht, das reiche Wams, der goldne Mantel, der hohe
Federhut und die gestrählten, fliegenden Haäre sehr wohl kleideten.
Er setzt sich in Bewegung, und unter dem Geläute aller Glocken folgen
ihm zu Pferde die Gesandten nach dem kaiserlichen Quartier in noch
größerer Pracht als am Wahltage. Dort hätte man auch sein mögen,
wie man sich an diesem Tage durchaus zu vervielfältigen wünschte.
Wir erzählten einander indessen, was dort vorgehe. Nun zieht der
Kaiser seinen Hausornat an, sagten wir, eine neue Bekleidung nach
dem Muster der alten karolingischen verfertigt. Die Erbämter er—
halten die Reichsinsignien und setzen sich damit zu Pferde. Der Kai
im Ornat, der römische König im spanischen Habit besteigen gleichfau—
Paldamus, Lesebuch, Ausg. B. 5. Teil. 2. Aufl. 16