Object: Lesestoff der sechsten Klasse (Untersekunda) (Teil 1, [Schülerband])

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2 In weitem Rund mit vollgedrängten Sitzen 
Türmt sich der Zirkus auf ins Himmelblau, 
Der Pöbel kürzt die Zeit mit blutigen Witzen 
Und fünfzigtausend Römeraugen blitzen 
Voll Mordbegier nach der ersehnten Schau. 
3 Ein Wink, da stürzen die geübten Schlächter 
Den nackten Leib ins blutPe Schwerterspiel. 
Der Zagende stirbt unter Hohngelächter, 
Doch Beifallsdonner lohnt den schönen Fechter, 
Der malerisch im Todeskampfe fiel. 
4 Entmenschtes Rom! Zur Wollust ist das Morden, 
Die Menschenschlächterei zur schönen Kunst, 
Das Sterben zum Theaterspiel geworden 
Und Nero rührt mit schmelzenden Akkorden 
Die Zither sich zur nächtigen Feuersbrunst. — 
5 Doch sieh, was führt man heut für Gladiatoren 
Der Schaubegier des lieben Pöbels vor? 
Nicht Parther sind, nicht Perser heut erkoren, 
Nicht blonde Jünglinge, am Rhein geboren: 
Heut ist's ein ungewohnter Fechterchor. 
6 Sind hier nicht Greise, die zum Kamps sich rüsten? 
Nicht Mägdlein, hold ihr Haupt in Scham gesenkt? 
Nicht Frauen mit dem Säugling an den Brüsten? 
Merk auf, o Rom! Heut sterben deine Christen, 
Die Neros Güte dir zum Schauspiel schenkt. 
7 Still ziehn sie ein in wallendem Gewände, 
Mit sanftem Schritt, gleich einer Priesterschar; 
Sie stehn im Rund, nun fallen ihre Bande, 
Sie knieen nieder in des Zirkus Sande, 
Ihr Psalm ertönet fremd und wunderbar. 
8 Sie grüßen ihren Cäsar, doch nicht jenen, 
Der in der Hand sein finstres Haupt dort stützt, 
Nein, einen, der umjauchzt von Harfentönen, 
Hoch ob der Erde blutigen Arenen 
Als Friedefürst in goldnen Wolken sitzt. 
9 „Heil, Christe, dir! Dich grüßen, die da sterben; 
Kurz ist der Kampf und ewig ist der Lohn.
	        
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