Object: Lesestoff der sechsten Klasse (Untersekunda) (Teil 1, [Schülerband])

poetischer Teil. 
I. Erzählende und parabolische Dichtungen. 
Petrus 
von Gottfried Kinkel. 
1 „Weil verstockt der Jude Simon Romas Götter hat geschmähet, 
Weil verbotnen Bund er stiftet, Zwietracht in die Geister säet, 
Weil er einen Missetäter aller Reiche König glaubt: 
Geb' ich morgen preis dem Volke an dem Kreuz sein frevelnd Haupt." 
2 Kaiser Nero hat's gesprochen. Petrus kniet zu Nacht im Kerker; 
Betend wächst des Greises Glaube, Himmelssehnsucht regt sich stärker; 
Morgen wird das Wort erfüllet, das sein Herr prophetisch sprach: 
Fremde Hand wird einst dich gürten, Simon; folge dann mir nach! 
3 Da — welch leis vorsichtig Klopfen? Durch die Riegel ächzt die Feile 
Und die alte Pforte weichet vor dem eingeklemmten Beile. 
Wirdes zu lange dem Tyrannen? Sendet er die Schlächter schon? 
Nein, es spricht ein kühnes Wagstück seinem tollen Wüten Hohn. 
4 Freunde sind's! Die Christen lagen im Gebet an heiliger Stätte, 
Daß den alten treuen Diener noch einmal der Herr errette. 
Doch umsonst Gebet und Zähre! Diesmal, ach, kein Engel naht — 
Da beschließen drei der Kühnsten frisch auf eigne Hand die Tat. 
5 Stark wohl sind die Römerkrieger, Wache haltend vor den Türen, 
Stärker doch der Wein von Chios, den die dreie mit sich führen. 
Mächtig sind des Kerkers Riegel, doch dem Eifer allzuschwach; 
Schaut mit stolzverklärten Blicken stehn die drei schon in: Gemach. 
6 „Rettung, Rettung, alter Vater! Stärker als der Tod ist Treue, 
Unserer Lieb' und Christi Kirche ist dein Haupt geschenkt aufs neue; 
Hier nur droht der Tod dir; auf denn, gürte deine Lenden, flieh! 
Schiffe, stets bereit zur Abfahrt, triffst du in Puteoli."
	        
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